Neues Berufsbild bei der Sanität
Seit einigen Jahren zeichnen sich in der präklinischen und klinischen Notfallversorgung steigende Patient*innenzahlen ab. Die steigenden Zahlen sind aber nicht durch die Zunahme von kritisch kranken bzw. verletzten Notfallpatient*innen begründet. Vielmehr zeigt sich eine Zunahme von Personen mit nicht dringlich zu behandelnden Symptomen, die den Notruf wählen.
Im Jahr 2021 konnten bei SRZ durchschnittlich 9 Prozent der ausgeschriebenen Stellen für dipl. Rettungssanitäter*innen HF (RS) nicht besetzt werden. Ein Blick ins Ausland zeigt, dass diverse Länder aufgrund der gleichen Problematik bereits neue Berufsbilder geschaffen haben, um dem steigenden Einsatzaufkommen zu begegnen. Aufgrund dieser Ausgangslage sind bei SRZ mittelfristig einsatztaktische Anpassungen nötig. Deshalb testete SRZ im Rahmen eines Pilotprojekts ein neues Berufsbild, nämlich den*die präklinische*n Fachspezialisten*in (PFS). Dabei standen insbesondere zwei Ziele im Vordergrund: Zum einen wurde der Bedarf für das neue Berufsbild geprüft und definiert, zum anderen evaluierte man die Eignung der entsprechenden CAS-Weiterbildung «Klinische*r Fachspezialist*in» (KliF) an der ZHAW.
Erste Einsätze für angehende PFS
Im Zeitraum zwischen August 2021 und Januar 2022 wurden im ersten Feldversuch C-Einsätze gesammelt, die für das neue Berufsbild geeignet wären. Die Kategorie «C-Einsätze» umfasst unklare Situationen aufgrund von akuten Ereignissen zu Hause oder im Heim. Der Rettungseinsatz erfolgt ohne Sondersignal. Die Studienverantwortlichen erfassten die für die Einsätze notwendigen Kompetenzen und das zusätzliche Material, das ein*e PFS benötigen würde. Zu Beginn des Projekts starteten zwei RS mit dem Erwerb der PFS-Kompetenzen. Das CAS war ein erster Teil davon. Im zweiten Feldversuch, zwischen Mai und Oktober 2022, boten die Mitarbeitenden der ELZ wenn immer möglich die beiden angehenden PFS für C-Einsätze auf, damit sie (noch im Zweierteam) erste Erfahrungen sammeln konnten.
Wichtige Erkenntnisse gewonnen
Die Auswertungen haben ergeben, dass gut 32 Prozent der geprüften C-Einsätze für ein*e PFS geeignet gewesen wären. Ausserdem bestätigte sich die Annahme, dass die PFS erweiterte Kompetenzen und zusätzliches Material benötigen, um die Einsätze vor Ort zu bewältigen. Bei 65 Prozent der Patient*innen hätte mit dem neuen Berufsbild ein Transport in die Notfallstation vermieden werden können. Hochgerechnet wären das im Jahr 2021 3045 Einsätze, die für PFS geeignet gewesen wären, und davon hätte bei 1979 ein Transport auf eine Notfallstation vermieden werden können. Die Einsätze verteilten sich gleichmässig auf die Stunden sämtlicher Wochentage (7/24). Die Studie lässt darauf schliessen, dass sich ein Bedarf an PFS in der Präklinik abzeichnet und voraussichtlich − mittel- bis längerfristig − Kosten und Ressourcen gespart werden. Zugleich entsteht für die RS eine interessante berufliche Perspektive und somit die Chance für die Rettungsdienste, bisherige Fachkräfte zu halten und weitere zu gewinnen. Erste Erfahrungen zeigen, dass die Inhalte des CAS KliF sinnvoll sind, jedoch noch gezielter auf die Präklinik ausgerichtet werden könnten.
Auf Empfehlung des Projektteams gab die Geschäftsleitung im November grünes Licht für die schrittweise Einführung von präklinischen Fachspezialist*innen bei SRZ ab 2023.