Eine Lokomotive im Vollbrand
Am 6. Juli 2023 fängt im Bahnhof Altstetten eine S-Bahn Feuer. Als die Berufsfeuerwehr (BF) am Schadenplatz eintrifft, brennt die Lok in voller Ausdehnung. Um das Feuer zu löschen, setzen die Einsatzkräfte Schaum ein.
Der Alarm mit der Einsatzmeldung «Bahnbrand Zug im Freien, Altstetterplatz 11, Zürich, Bahnhof Altstetten» geht um 17.07 Uhr in der Wache Süd ein. Umgehend rücken zwei Tanklöschfahrzeuge (TLF), ein Pionierfahrzeug sowie der Einsatzleiter Berufsfeuerwehr (EL BF) aus. Gleichzeitig wird der Pikettoffizier (Pik Of) aufgeboten. Bereits auf der Anfahrt über die Hohlstrasse ist von Weitem eine dunkle Rauchsäule zu sehen. Sie lässt erahnen, dass es sich nicht um ein Bagatellereignis handelt. Da sich der Zug auf einer Bahnanlage befindet, weisen die Verantwortlichen der beiden TLF die Einsatzkräfte noch vor dem Eintreffen an, erst mit der Abgabe von Löschmittel zu beginnen, wenn dies ausdrücklich befohlen wird.
Zahlreiche schaulustige Personen
Beim Eintreffen der Einsatzkräfte befinden sich im und um den Bahnhof Altstetten zwischen 200 und 300 gestrandete Reisende sowie schaulustige Personen – zahlreiche davon mit gezücktem Handy. Einige Personen stehen in unmittelbarer Nähe der brennenden Lok und somit im Gefahrenbereich. Während der Zugführer (ZF) die Löschleitungen vorbereiten lässt, gilt die Aufmerksamkeit des EL BF den zahlreichen Schaulustigen im Gefahrenbereich. Die Stadtpolizei ist zu diesem Zeitpunkt erst mit einem Einsatzfahrzeug auf Platz. Gleichzeitig treffen zwei Rettungswagen sowie ein Notarzteinsatzfahrzeug ein. Da es bislang keine Verletzten gibt, unterstützen die Mitarbeitenden der Sanität kurzerhand beim Räumen und Absperren des Frontbereichs. Anschliessend nimmt der EL BF Kontakt mit dem Einsatzleiter der SBB (EL SBB) auf. Gemeinsam mit der Sanität und der Stadtpolizei wird ein erster kurzer Abspracherapport durchgeführt. Ebenfalls bereits vor Ort ist der Lösch- und Rettungszug (LRZ) der SBB. Dieses riesige «TLF auf Schienen» führt nebst verschiedenem Lösch- und Rettungsmaterial 45 000 Liter Wasser und 1500 Liter Schaumextrakt mit sich.
Löschangriff mit Schaum
Die Lok brennt unterdessen in voller Ausdehnung, die Flammen erstrecken sich vom Gleisbett bis hinauf durch das Dach der Lok. Besonders die rund 3700 Liter Öl der Trafos und Stromrichter in der Lok sorgen für eine rasche und intensive Brandausbreitung. Die beträchtliche Menge an Öl veranlasst die Einsatzleitung, auch einen Chemiefachberater (CFB) sowie das für den Fall einer Bodenverschmutzung zuständige Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) aufzubieten. Gleichzeitig erfolgen Abschaltung und Erdung des betroffenen Gleises sowie des Nachbargleises. Da zu diesem Zeitpunkt verlässliche Informationen über konkrete Gefahren im Innern der Lok fehlen, wird beschlossen, das Feuer im Aussenangriff zu bekämpfen. Die starke Hitzestrahlung hat zur Folge, dass die Fahrleitung reisst und wie eine Geissel zurückschnellt – zum Glück ist sie bereits stromlos und geerdet. Da eine erhebliche Menge an Öl brennt, entscheidet der EL BF, das Feuer mit Schaum zu bekämpfen. Dabei wird die anfangs ab einem TLF betriebene Schaumleitung im Verlauf des Einsatzes durch eine Schaumleitung ab dem LRZ ersetzt. Parallel dazu wird eine Löschleitung zum Halten der angehängten Wagen eingesetzt, da diese aus technischen Gründen nicht einfach abgehängt und von der brennenden Lok entfernt werden können. Wertvoll erweist sich dabei auch der Einsatz eines Lüfters, mit dem heisse Brandgase von den Wagen weggeblasen werden können. Die Einsatzkräfte verhindern schliesslich erfolgreich, dass das Feuer auf die Wagen übergreift.
Viele Anspruchsgruppen, hoher Koordinationsbedarf
Wegen der zahlreichen Schaulustigen rechnet der EL BF mit einem erhöhten Medieninteresse. Er bietet deshalb das Medienpikett von SRZ auf und kontaktiert den diensthabenden Mediensprecher, um ihn über das Ereignis zu informieren. Der Pik Of trifft vor Ort ein und wird vom EL BF bezüglich der Situation und der befohlenen Massnahmen auf den neuesten Stand gebracht. Fortan kümmert sich der EL BF gemeinsam mit dem ZF hauptsächlich um die Arbeiten an der Front, während der Pik Of durch die Rapporte führt und die Koordination mit den Partnerorganisationen und den verschiedenen Anspruchsgruppen wie Infrastrukturbetreiberin, AWEL, Forensisches Institut, Brandermittlung und Sicherheitsuntersuchungsstelle sicherstellt. Da die Einsatzkräfte das Feuer im Aussenangriff aus Distanz löschen, gelangt ein Teil des Schaummittels in Schächte auf dem Perron sowie in das Gleisbett. Im Verlauf des Einsatzes kontrollieren die Einsatzkräfte deshalb mehrmals die Entwässerungsleitungen, die jederzeit frei von Schaum bleiben. Vorsorglich wird zudem die Abwasserreinigungsanlage (ARA) informiert. Der konzentrierte Schaumeinsatz zeigt schliesslich Wirkung, und das Feuer erlischt.
Folgeeinsatz aufgrund Umweltgefährdung
Während der Löscharbeiten ist der gesamte Zugsverkehr auf sämtlichen Gleisen im Bahnhof Altstetten eingestellt. Die Auswirkungen auf das Schweizer Bahnnetz sind in der Folge erheblich: Zahlreiche Züge von oder nach Zürich fallen aus. Tausende Pendler*innen müssen Umwege und beträchtliche Verspätungen in Kauf nehmen. Die SBB möchten deshalb den Bahnverkehr so rasch wie möglich, zumindest teilweise, wieder aufnehmen. Für die Instandstellung des Gleises muss die ausgebrannte Lok jedoch zuerst entfernt werden. Der Einsatz geht nun in die Sanierungsphase über. Um eine allfällige Umweltverschmutzung bei der Verschiebung der Lok zu vermeiden, weist das AWEL die SBB an, das restliche Öl abzupumpen. Die SBB beauftragen ein privates Entsorgungsunternehmen damit. Im Verlauf des Abends stellt sich jedoch heraus, dass das beauftragte Entsorgungsunternehmen nicht über die geeigneten Mittel für diesen Auftrag verfügt. Erneut wird die BF Süd aufgeboten, und auf den Lösch- folgt ein ABC-Einsatz. Die Einsatzkräfte lassen das Öl über ein seitliches Ölablassventil in eine Auffangwanne ab, von wo es mit einer Fasspumpe in einen temperaturbeständigen Edelstahlcontainer gepumpt wird. Insgesamt können so noch 1000 Liter Öl sicher entsorgt werden. Dank des Folgeeinsatzes kann die SBB noch am selben Abend mit der Instandstellung des Gleises beginnen.
Austausch von Erkenntnissen und Lehren
Einsätze auf Bahnanlagen sind gefährlich. So lauern teilweise lebensbedrohliche Gefahren wie Hochspannung, Bahnverkehr, mechanische Teile wie Weichen usw. auf die Einsatzkräfte. Der Informationsaustausch zwischen dem EL BF und dem EL SBB zu Beginn des Einsatzes ist deshalb absolut zentral. Nur so ist sichergestellt, dass wichtige Schlüsselinformationen − zum Beispiel über den Betriebszustand der Gleise − zur Einsatzleitung fliessen. Sie legt die Taktik und das Vorgehen je nach Situation fest. Die im Einsatz gewonnenen, wertvollen Erkenntnisse wurden intern besprochen und in allen Dienstgruppen der BF Süd präsentiert. Die Präsentation ist intern abgelegt und allen Feuerwehrleuten zugänglich. Zudem fand eine kritische Reflexion des Einsatzes mit den Verantwortlichen der Intervention SBB des Standorts Zürich statt.
Text: Claudio Mignot, EL BF beider Einsätze
Bilder: SRZ