Die heute gültigen Abwassergebühren der Stadt Zürich waren höher als der tatsächliche Finanzbedarf. Dies hat per Ende 2019 zu Reserven in der Höhe von 258 Millionen Franken geführt. Der Gemeinderat verlangt, dass sich die Reserven langfristig zwischen 40 und 60 Millionen Franken bewegen. Um die Reserven zu senken, wurde schon bisher im Rahmen von Bonusaktionen auf die Erhebung einzelner Gebühren verzichtet. Diese Massnahmen erzielten allerdings nur beschränkt Wirkung – die Reserven wuchsen weiter an. Deshalb beantragt der Stadtrat dem Gemeinderat nun eine Totalrevision der Verordnung über die Preise zur Abwasserbewirtschaftung, die überdies umbenannt wird in die «Verordnung über die Gebühren zur Abwasserbewirtschaftung» (AS 711.210).
Entlastung um 13 Millionen Franken pro Jahr
Das neue Gebührenmodell entlastet die Gebührenzahlenden der Stadt Zürich um jährlich rund 13 Millionen Franken. Die Einnahmen der Stadt sinken – ohne die nachfolgend beschriebenen befristeten Reduktionen – um rund 11 Prozent von jährlich 118 Millionen Franken auf 105 Millionen Franken. Dieser Betrag entspricht den langfristig prognostizierten Kosten für den Betrieb und den Unterhalt der Stadtentwässerung und der Abwasserreinigung.
Das neue Gebührenmodell unterscheidet sich nicht prinzipiell vom bestehenden. Es werden weiterhin pauschale Grundgebühren und verbrauchsabhängige Mengengebühren festgelegt. Die neue Verordnung sieht eine Halbierung der Grundgebühr für Schmutzabwasser zulasten der Unternehmen von 50 Franken auf 25 Franken pro Jahr und Vollzeitstelle vor. Jene für Wohneinheiten bleibt unverändert bei 45 Franken. Die Grundgebühr für die Einleitung von Regenwasser in die Kanalisation sinkt von 1.40 Franken auf 1.30 Franken pro Quadratmeter Grundstückfläche. Die Mengengebühr für den Abwasserverbrauch von Privaten und Unternehmen wurde schon 2005 durch den Stadtrat um zehn Prozent auf 1.62 Franken pro 1000 Liter Abwasser gesenkt. Dieser reduzierte Satz sollnun Eingang in die Verordnung finden.
Ökologische Ausrichtung der Abwassergebühren
Die Stadt Zürich möchte die Revision nutzen, um ökologische Akzente zu setzen.
Einerseits werden Unternehmen, die stark verschmutztes Abwasser in die Kanalisation einleiten, künftig mehr bezahlen müssen. Dieser sogenannte «Starkverschmutzerzuschlag» erhöht die Kosten je nach Verschmutzungsgrad des eingeleiteten Abwassers. Davon betroffen sind einzelne Industrieunternehmen und städtische Verwaltungsbetriebe.
Andererseits werden ökologisch sinnvolle Massnahmen stärker gefördert: Wer Regenwasser sammelt und etwa für die Toilettenspülung nutzt, muss dafür künftig keine Mengengebühr mehr bezahlen. Versickert das Regenwasser über eine bewilligte Versickerungsanlage (z. B. Rasenfläche) ins Grundwasser oder wird es in ein Gewässer eingeleitet, reduziert sich die flächenabhängige Grundgebühr für Regenabwasser neu um bis zu 100 Prozent. Die Massnahmen schaffen Anreize zur Nutzung des Regenwassers und zur Schaffung von Versickerungsflächen.
Vorübergehende Reduktion der Abwassergebühren um 80 Prozent
Zusätzlich zu den dauerhaften Anpassungen sieht die neue Verordnung eine massive, befristete Reduktion sämtlicher Abwassergebühren vor, damit die Finanzreserven von heute 258 Millionen Franken bis ins Jahr 2029 auf 40 bis 60 Millionen Franken sinken, wie es die Motion (GR Nr. 2017/263) verlangt. Um dieses Ziel zu erreichen, sollen sämtliche Abwassergebühren für die Jahre 2022 bis 2025 um 80 Prozent reduziert werden. Die Gebührenzahlenden werden in dieser Zeit um zusätzliche 60 Millionen Franken pro Jahr entlastet. Für die darauffolgenden Jahre liegt die Kompetenz für die Festlegung der Reduktionshöhe beim Stadtrat. Von 2026 bis 2029 wird sie voraussichtlich 55 Prozent betragen. Anschliessend wird der Umfang weiterer Reduktionen so festgelegt, dass die angestrebte Reservehöhe erreicht werden kann.
Ausgeglichener Finanzhaushalt
Durch die befristete Reduktion sämtlicher Gebühren werden die hohen Reserven innert nützlicher Frist an die Gebührenzahlenden zurückfliessen. Die revidierte Gebührenordnung wird im Nachgang dazu führen, dass der Finanzhaushalt langfristig ausgeglichen bleibt und nicht erneut zu hohe Reserven gebildet werden.
Überprüfung des Preisüberwachers
Der Preisüberwacher hat das geplante Gebührenmodell begutachtet und heisst es prinzipiell gut. Er empfiehlt jedoch, auf befristete Reduktionen zu verzichten und stattdessen die Grund- und Mengengebühren (inklusive Starkverschmutzerzuschlag) sowie die Regenabwassergebühren dauerhaft stärker zu senken. Mit einem Gebührenmodell nach den Empfehlungen des Preisüberwachers würden sich die Reserven jedoch bis ins Jahr 2025 weiter erhöhen und erst im Jahr 2040 zwischen 40 und 60 Millionen Franken bewegen. Somit könnte der politische Auftrag aus der Motion (GR Nr. 2017/263) nicht in absehbarer Zeit erfüllt werden. Deshalb hält der Stadtrat in seinem Antrag an der befristeten Reduktion der Gebühren fest.
Der Gemeinderat wird über den Antrag einer Totalrevision befinden. Heisst er ihn mit oder ohne Änderungen gut, kann gegen den Beschluss das fakultative Referendum ergriffen werden.