Mit dem Jugendbuch «Heidi» der Schriftstellerin Johanna Spyri (1827–1901) verbindet man Örtlichkeiten wie Maienfeld, die Alp über dem Rheintal, Hirzel oder Frankfurt. Geschrieben wurden die beiden Bücher aber in Zürich, genauer im Zürcher Kratzquartier, im Stadthaus am Stadthausplatz.
Zehn Jahre lang konnte sich Johanna Spyri der Aussicht auf den Stadthausplatz erfreuen, nachdem sie 1868 zusammen mit ihrem Mann, dem Stadtschreiber Johann Bernhard Spyri, eine Amtswohnung im Stadthaus bezogen hatte. Ab 1878 begannen in ihrer Nachbarschaft die Häuserabbrüche, die schliesslich vom Kratzquartier nichts mehr übrig liessen. Was das für die Schriftstellerin bedeutet, ist einem Brief aus dem Jahr 1882 an eine Familie Kappeler zu entnehmen: «Du hast keinen Begriff, was jetzt von morgens 6 Uhr bis abends 7 Uhr stets fort für ein Gehämmer und Geklopf ist hier vor meinem Fenster auf dem einst so wunderschönen Stadthausplatz, dazu dringt immerfort ein solcher Gestank von Theer und Steinkohlen herein, dass es keine Freude mehr ist, da zu sitzen. Es ist ein Jammer».
Da auch für das Stadthaus Abbruchpläne bestanden, musste Johanna Spyri 1885 ihre Wohnung verlassen. Ein Jahr später wurden das Stadthaus und die umliegenden Gebäude für das neue Fraumünsterquartier abgerissen.
Das dreigeschossige Stadthaus mit den auffälligen Treppengiebeln stammte aus dem 16. Jahrhundert. Es wurde von 1583 bis 1586 als obrigkeitliches Gebäude erbaut und diente dem jeweiligen Bauherrn der Stadt – dem Behördenmitglied, das die Aufsicht über das Bauwesen innehatte – als Wohnsitz. Als 1803 die Stadtgemeinde Zürich neu geschaffen und aus dem früheren Staatsgebilde herausgelöst wurde, erhielt sie das Gebäude als Stadthaus zugesprochen. Es ist somit der direkte Vorgänger des heutigen Stadthauses, stand aber etwas weiter südlich ungefähr auf der Höhe des Bauschänzlis.
Seit Januar erneuert das Tiefbauamt der Stadt Zürich im Raum Fraumünsterstrasse, Börsenstrasse und Stadthausquai die Werkleitungen. Weil dieses Gebiet in der Nähe des Fraumünsters für die Stadtgeschichte sehr bedeutsam ist, werden die Bauarbeiten durch die Stadtarchäologie intensiv begleitet.