Ein MCS-gerechtes Wohnhaus in Zürich-Leimbach
Medienmitteilung
Andreas Zimmermann Architekten AG hat den Studienauftrag gewonnen
MCS-Erkrankte haben sich vor zwei Jahren zur «Wohnbaugenossenschaft Gesundes Wohnen MCS» zusammengeschlossen und wollen nun bis 2013 ein Wohnhaus mit 15 Wohnungen bauen, das hohen baubiologischen Ansprüchen genügt. Das kleine Baugrundstück am Rebenweg im Quartier Leimbach stellt die Stadt Zürich im Baurecht zur Verfügung. Das Projekt der Andreas Zimmermann Architekten AG ist aus einem Studienauftrag unter fünf Büros hervorgegangen. «Dieses Projekt wird als Pionierleistung für gesundes Wohnen in die Geschichte eingehen», sagte Stadtrat Martin Vollenwyder an der Medienkonferenz. Das Legislaturziel «Wohnraum für alle» heisse für die Stadt auch, eine Bevölkerungsgruppe zu unterstützen, die es auf dem Wohnungsmarkt besonders schwierig habe.
7. September 2010
MCS - multiple chemische Sensitivität - ist der gebräuchlichste Ausdruck zur Beschreibung eines komplexen Krankheitsbildes, das durch Chemikalien aus Umwelt, Arbeitsplatz und Wohnbereich hervorgerufen wird. Solche Stoffe kommen in zahlreichen Materialien sowie in der Luft vor, wie Roger Waeber von der Fachstelle Wohngifte im Bundesamt für Gesundheit ausführte. Der Kontakt mit solchen Stoffen - selbst wenn der gesetzlich festgelegte Grenzwert weit unterschritten ist - könne bei einigen Menschen schwerwiegende Gesundheitsbeschwerden auslösen. Laut Waeber suchen solche Menschen «verzweifelt Möglichkeiten, um wenigstens in ihren eigenen vier Wänden vor ständigen Bedrohungen und entsprechenden Beschwerden geschützt zu sein».
Christian Schifferle ist seit Jahrzehnten MCS-betroffen und Präsident der 50 Mitglieder zählenden Wohnbaugenossenschaft. Er zeigte sich an der Medienkonferenz zuversichtlich, da mit diesem Projekt das «gesunde Bauen» konsequent umgesetzt werde: «Endlich liegt der längst ersehnte Wohnraum für einige der Betroffenen in Reichweite.»
Mit dem Wohnhaus in Leimbach will die Genossenschaft einen Bau realisieren, der höchste baubiologische Anforderungen erfüllt und der wissenschaftlich begleitet wird. Der gesamte Prozess - von der Wahl des Grundstückes bis zu Materialisierung und Energieversorgung - ist vom Ziel der Reizarmut bestimmt.
Grundstück
Die Wahl des Grundstücks fiel nach umfassender Vorabklärung auf eine kleine, 1200 m2 messende Parzelle am Rebenweg in Zürich-Leimbach.
Wie Arno Roggo, Direktor der städtischen Liegenschaftenverwaltung, erklärte, liegt das Land am Rand der Bauzone und verfügt über eine für Stadtzürcher Verhältnisse gute Luftqualität. Auch sei die Belastung durch Elektrosmog sowie Lärm- und Geruchsimmissionen gering.
Die Stadt Zürich stellt das Land im Baurecht für 60 Jahre (plus zweimal 15 Jahre Verlängerungsoption) zur Verfügung. Der Baurechtszins wird wie bei den Baugenossenschaften im gemeinnützigen Wohnungsbau berechnet.
Die Stadt hat die Kosten für die Durchführung des Studienauftrags unter fünf Architektenteams vorfinanziert. Sie erwartet von diesem Projekt einen weiteren Erkenntnisgewinn für schadstoffarmes Bauen. Gemäss Michael Pöll von der städtischen Fachstelle Nachhaltiges Bauen soll das realisierte Projekt nach wissenschaftlichen Kriterien ausgewertet werden.
Projekt
Das Gebäude mit zwei Vollgeschossen und einem Unter- sowie einem Dachgeschoss enthält 15 Wohnungen: 1 x 1.5-ZW, 3 x 2-ZW, 8 x 2.5-ZW, 2 x 3-ZW, 1 x 3.5-ZW.
Das Augenmerk liegt nicht nur auf einer äusserst sorgfältigen Materialwahl und Verarbeitung. Die Wohnungen müssen auch konzeptionell bestimmten Anforderungen genügen: Um sich beim Betreten von Wohnung und Waschraum von chemischen Substanzen reinigen zu können, werde der Bau mit speziellen Schleusen ausgerüstet, erklärte Architekt Andreas Zimmermann. Das Prinzip «immer reiner» werde bis zum Schlafzimmer konsequent weitergeführt; dort lassen sich verbliebene Luftverunreinigungen in einem entlüfteten Schrankraum ablegen. «Das Schlafzimmer wird so zum Erholungsraum vor Umweltchemikalien.»
Kosten
Das aus fünf Vorschlägen ausgewählte Projekt ist das wirtschaftlichste. Trotzdem sei es teurer als andere Wohnhäuser, sagte Peter Schmid, Präsident der Sektion Zürich des Schweizerischen Verbandes für Wohnungswesen (SVW), der die junge Genossenschaft berät. Am Hang bauen komme teurer, eine kleine Liegenschaft koste pro Wohnung mehr als eine grosse Siedlung, und MCS-gerechtes Bauen sei schlicht aufwändiger. Umgekehrt verfügten die Bewohnerinnen und Bewohner eines solchen Hauses nur über kleine Einkommen und seien auf günstige Mieten angewiesen. Zinslose Darlehen zur Vergünstigung der Mieten würden aber nur gesprochen, wenn der Anlagewert eine bestimmte Grenze (in diesem Fall 4,5 Mio.) nicht übersteige. Somit seien die Kosten von 5,8 auf 4,5 Mio. Franken zu senken, d. h. 1,3 Mio. oder rund 20 Prozent sind laut Schmid über Spenden aufzubringen. Fundraising werde hier zu einer Solidaritätsaufgabe auch der Genossenschaften. Diese würden dafür mit dem komplexen Neubau Erkenntnisse für die Zukunft des gesunden Bauens gewinnen können. Von städtischen Baugenossenschaften sind bereits 100 000 Franken als Starthilfebeitrag zugesichert worden.