Fragen und Antworten rund um Palliative Care
Was ist der Unterschied zwischen Palliative Care und Allgemeinmedizin? Was ist ein Fatigue-Syndrom? Wozu ist ein Notfallplan gut?
Allgemeines zur Palliative Care
Nein, Palliative Care ist nicht nur für die Sterbephase gedacht. Es macht Sinn, sich bereits ab Diagnose-Stellung mit den verschiedenen Themenbereichen der Palliative Care zu befassen: die Linderung von Symptomen wie Schmerz, Atemnot oder Übelkeit, Unterstützung im Alltag, psychische und spirituelle Aspekte etc.
Palliative Care verfolgt aufgrund des Krankheitsbildes keine Heilung (kurativ), sondern die Linderung von Symptomen wie Schmerzen, Atemnot u. a. und will die Lebensqualität bei einer lebensverkürzenden Diagnose so hoch wie möglich halten. Kurative und palliative Therapien können auch parallel laufen.
Während der verschiedenen Phasen einer schweren Krankheit werden nebst Medizin und Pflege unterschiedliche Berufsfelder miteinbezogen wie Physio- und Ergotherapie, Ernährungsberatung, Psychologie, Seelsorge und Sozialarbeit.
Die Grundversorgung kümmert sich in der Regel um Patient*innen mit stabilem Krankheitsverlauf. Diese allgemeine Palliative Care soll von allen Anbietern im Gesundheitsbereich gewährleistet werden, stationär von Akutspitälern und Pflegeinstitutionen und ambulant von Hausärzt*innen und Spitex-Diensten.
Patient*innen, deren Krankheitsverlauf komplex ist, benötigen spezialisierte Palliative Care. Das ist der Fall bei Erkrankten, die an mehreren Symptomen gleichzeitig leiden oder deren Symptome auf die übliche Behandlung nicht ansprechen. Oder es sind Personen, bei denen die Situation ein interprofessionelles Vorgehen erfordert oder bei denen eine schwierige Entscheidung ansteht. Spezialisierte Palliative Care wird in Spitälern, in Pflegeheimen und von spezialisierten Teams zu Hause angeboten.
Angebote und Behandlungen
Informationen zu Diagnosen können bei Hausärzt*innen oder Fachärzt*innen eingeholt werden. Bei Recherchen im Internet ist zu bedenken, dass die Informationen von unterschiedlicher Qualität sind. Dies und die Fülle der Informationen führen oftmals zu Verunsicherung und zu Ängsten. Im Weiteren gilt es sich zu folgenden Punkten Gedanken zu machen: Wo erhalte ich Unterstützung? Was muss geregelt werden? Wen möchte ich informieren? Existiert ein Vorsorgeauftrag, eine Patientenverfügung? Wer vertritt mich, wenn ich meinen Willen selber nicht mehr äussern kann?
Nein, Palliative Care verfolgt einen ganzheitlichen Ansatz, das heisst, neben körperlichen werden auch psychische, soziale und spirituelle Aspekte erfasst. Neben dem Lindern von Symptomen helfen Fachpersonen bei Palliative Care dabei,
- ein Betreuungs- und Behandlungsnetz aufzubauen
- die Entscheidungsfindung bezüglich des weiteren Vorgehens zu unterstützen
- für den Notfall zu planen
- den eigenen Willen schriftlich festzuhalten
- die letzte Lebensphase zu gestalten
- Angehörige bzw. Betreuungspersonen zu unterstützen.
In der palliativen Behandlung werden unterschiedliche Schmerzmittel eingesetzt. Die Qualität (die Art) und die Intensität (die Stärke) des Schmerzes sind massgeblich für die Wahl des Schmerzmittels. Eingesetzt werden Nicht-Opioide wie beispielsweise Paracetamol und Opioide wie beispielsweise Morphin. Morphin gehört zu den stark wirkenden Opioiden und wird bei starken und stärksten Schmerzen sowie bei nicht anders zu behandelnder Atemnot verabreicht.
Die Leistungen der Palliative Care zielen darauf ab, dass das Leiden unheilbar kranker Menschen gelindert wird und eine bestmögliche Lebensqualität bis zum Lebensende erhalten bleibt. Zur Behandlung gehören medizinische, pflegerische und therapeutische Massnahmen sowie die Unterstützung in sozialen Belangen. Der kranke Mensch, seine Anliegen und der Erhalt seiner Autonomie sind zentral. Bezugspersonen werden einbezogen und erhalten punktuelle Unterstützung.
Palliative-Care-Angebote gibt es im Stadtspital Zürich (Waid und Triemli), mit interprofessionellem Palliativ-Konsiliardienst, Palliativ-Sprechstunde und einer Palliativstation, bei der Spitex Zürich mit zwei spezialisierten Teams sowie in der Grundversorgung in den Alters- und Pflegezentren der Stadt. Das Pflegezentrum Mattenhof bietet zusätzlich Betten für Patient*innen, die die spezialisierte Palliative Care benötigen.
Das kantonale Universitätsspital Zürich verfügt über ein Kompetenzzentrum Palliative Care mit Station und einer ambulanten Sprechstunde. Daneben gibt es private Angebote wie die Stiftung Zürcher Lighthouse oder die Klinik Susenberg, die ihr Angebot ebenfalls auf Palliativpatient*innen ausgerichtet haben.
Das Kinderspital Zürich sowie die Kinder-Spitex Kanton Zürich (Kispex) sind auf Kinder und Jugendliche mit lebensverkürzenden Krankheiten (pädiatrische Palliative Care) spezialisiert.
Depressive Symptome und Ängste gehen häufig einher mit schweren Erkrankungen. Bei Symptomen wie gedrückte Stimmung, Interessensverlust, Freudlosigkeit, Antriebsmangel, erhöhte Ermüdbarkeit, Ängste und Schlafstörungen, die anhaltend sind, ist es wichtig, ärztliche oder psychologische Unterstützung zu holen.
Für die Betreuung und Behandlung im häuslichen Umfeld gibt es Angebote. Das Anliegen sollte mit der*dem Hausärzt*in und mit dem privaten Umfeld besprochen werden.
Zum Fatigue-Syndrom gehören die Symptome Müdigkeit, Erschöpfung und Antriebslosigkeit. Sie lassen sich auch durch viel Schlaf und Ausruhen nicht lindern und wirken im Alltag sehr beeinträchtigend. Das Fatigue-Syndrom begleitet oftmals schwere Erkrankungen wie Krebs. Es empfiehlt sich, bei den genannten Symptomen ärztliche Unterstützung beizuziehen.
Eine erste Anlaufstelle sind meistens Hausärzt*innen. Das Stadtspital Zürich bietet am Standort Triemli eine ambulante Sprechstunde Palliative Care, ebenso das Universitätsspital Zürich. Die Fachgesellschaft palliative zh+sh informiert ebenfalls über Angebote wie auch die Website Palliativkarte.ch
Pallifon
Das Pallifon bietet medizinische Notfallberatungen für Palliativpatient*innen. Es ist kostenlos und steht rund um die Uhr, an 365 Tagen zur Verfügung (Tel. 0844 148 148).
Bei akuten Notfallsituationen ist der Sanitätsnotruf, Tel. 144, zu kontaktieren.
Ja, es ist für alle gratis und bedarf keiner Mitgliedschaft oder vorgängiger Anmeldung.
Patientenverfügung und Notfallplan
Mit einem Vorsorgeauftrag werden für eine allfällige Urteilsunfähigkeit persönliche Angelegenheiten geregelt und eine nahestehende Person oder eine Fachstelle zur Vertretung bemächtigt. Eine Patientenverfügung bezieht sich ausschliesslich auf medizinische Fragen im Falle einer Urteilsunfähigkeit. Diese kann plötzlich eintreten, zum Beispiel durch einen Unfall, oder schleichend kommen wie etwa bei einer Demenz.
Vorsorgeauftrag und Patientenverfügung dürfen grundsätzlich selber ausgefüllt werden. Allerdings ist dies anspruchsvoll, da ethische und existentielle Themen berührt und wichtige Fragen zu Leben und Tod geregelt werden. Es gibt Berater*innen, die über das nötige medizinische und juristische Wissen verfügen. Mit ihrer Hilfe können Wünsche, Vorstellungen und offene Fragen geklärt werden, und sie helfen, die Dokumente auszufüllen. Üblicherweise sind die Beratungen kostenpflichtig.
Hilfe findet man beispielsweise beim SRK, Pro Senectute oder bei ACP Swiss.
Der Notfallplan dient allen Beteiligten (Patient*innen, Angehörigen und dem Behandlungsteam) in medizinischen Krisen als Leitfaden. In Kombination mit den wichtigsten Medikamenten vor Ort können unerwünschte Hospitalisierungen vermieden werden. Im Plan soll auch festgehalten sein, welche lebensverlängernden Massnahmen bei einer Urteilsunfähigkeit gewünscht werden.
Der Notfall- oder Massnahmenplan wird in der Regel von einer spezialisierten Palliativ-Pflegefachperson erstellt und von einer*einem Ärzt*in unterschrieben.
Für medizinische Notfälle: Tel. 144
Für Notfallberatung für nicht lebensbedrohliche Notfälle: Pallifon Telefon 0844 148 148 oder über das Ärztefon Telefon 0800 33 66 55
Patient*innen von ambulanten spezialisierten Palliative-Care-Teams erhalten eine Pikett-Nummer, unter der sie rund um die Uhr eine Fachperson erreichen können.
Wünsche und Anliegen können in einem Vorsorgeplan, in einer Patientenverfügung und im Testament festgehalten werden.
Idealerweise wird der eigene Wille frühzeitig in einer Patientenverfügung und in einem Vorsorgeauftrag festgehalten. Liegt in einer Notsituation, in der ich meinen Willen nicht mehr mitteilen kann, ein gültiges Dokument vor, orientiert sich die weitere Behandlung daran. Sind keine Angaben vorhanden, wird ein Standardprozedere gewählt, das unter Umständen von den eigenen Vorstellungen abweicht. Für die Umsetzung des eigenen Willens kann eine Vertretungsperson eingesetzt werden.
Advance Care Planning (ACP), die vorausschauende Behandlungsplanung, hat die persönliche Wertevorstellung als Basis. Daraus abgeleitet werden die Massnahmen, die im weiteren Verlauf ergriffen werden sollen.
Finanzen und Recht
Arbeitnehmende haben bei Krankheit über eine gewisse Zeit Anspruch auf eine Lohnfortzahlung oder Krankentaggeld. Die Modalitäten sind in den Arbeitsverträgen geregelt, dürfen jedoch die gesetzlichen Mindestleistungen nicht unterschreiten. Wenn diese Leistungen ausgeschöpft sind, kann Sozialhilfe beansprucht werden.
Medizinische, pflegerische und therapeutische Leistungen, welche zur Diagnose und Behandlung einer Krankheit und ihrer Folgen dienen, werden gemäss KVG übernommen. Dies gilt für den ambulanten wie auch den stationären Bereich. Da es auch Leistungen gibt, die nicht oder nur teilweise gedeckt sind, ist es wichtig, frühzeitig mit der Krankenkasse die Kostenübernahme zu klären.
Die Leistungen werden über die obligatorische Krankenversicherung und vom Kanton oder der Wohngemeinde finanziert. Allerdings ist je nach Art der Leistung und je nach Versicherung nicht alles gedeckt. Es empfiehlt sich, frühzeitig mit der Krankenkasse die Kostenübernahme zu klären.
Eine schriftlich abgefasste, mit Datum und Unterschrift versehene Patientenverfügung ist verbindlich. Unzulässige Anweisungen, wie beispielsweise die aktive Sterbehilfe, werden nicht umgesetzt.
Versorgung und Pflege zu Hause
Es empfiehlt sich, Fachpersonen beizuziehen, um den Bedarf zu erheben, das passende Produkt zu finden und die Finanzierung zu klären.
In der Stadt Zürich sind Hilfsmittel wie Gehhilfen, Rollstühle, Lagerungskissen etc. für die Pflege zu Hause in den Krankenmobilien-Magazinen erhältlich. Sauerstoffgeräte werden von der Lunge Zürich gestellt, Pflegebetten von der Krebsliga Zürich.
Ein Hospiz ist eine Einrichtung, in der schwer kranke, sterbende Personen Betreuung und Begleitung finden – auch über mehrere Wochen.
Die Spitex übernimmt einen grossen Teil der anfallenden Aufgaben, punktuell können Leistungen von anderen Fachleuten, wie z. B. von Ergotherapeut*innen, in Anspruch genommen werden. Ist die Krankheitssituation sehr instabil oder komplex, kommt ein spezialisiertes Palliative-Care-Team der Spitex zum Zug. Freiwillige können ebenfalls für Einsätze beigezogen werden, insbesondere auch zur Entlastung von Angehörigen. Medikamente, Lebensmittel und vieles mehr kann man sich nach Hause liefern lassen.
Angehörige und Umfeld
Als betreuende Angehörige oder Bezugsperson ist man einer zusätzlicher Belastung ausgesetzt. Informationen zu Entlastungsangeboten für Betreuende findet man beispielsweise beim Entlastungsdienst des Kantons Zürich.
Mittagstisch, Mittagshort wie auch andere stundenweise Angebote helfen Engpässe zu überbrücken. Spiel- und Krabbelgruppen, Gemeinschaftszentren, ELCH-Zentren, Quartierzentren und Quartierräume haben unterschiedliche Angebote. In den Kitas der Stadt Zürich gibt es Plätze für 24-Stunden-Kriseninterventionen. Für eine Nanny kann man sich an den nannyverein.ch wenden.
Die Betreuung des Haustieres kann in einem Vorsorgeauftrag geregelt werden. Beim Zürcher Tierschutz gibt es eine Informationsseite, welche sämtliche Fragestellungen wie beispielsweise eine Notfallkarte für Haustiere ausführlich erklärt.
Letzte Lebensphase
Nein. Palliative Care erachtet das Sterben zwar als normalen Prozess, bietet aber keine aktive Sterbehilfe an. Konfrontiert mit dem Wunsch nach assistiertem Suizid zeigen Fachpersonen der Palliative Care deshalb Alternativen wie die palliative Sedation (siehe unten) auf, und unterstützen bei der Entscheidungsfindung. Sie nehmen in der Regel aber keine aktive Rolle in der Suizidbeihilfe ein, legen zum Beispiel keine Venenkatheder für das Sterbemittel. Sie setzen jedoch alles daran, die Betroffenen bis zum letzten Atemzug gut zu umsorgen. Viele Sterbewillige verzichten bei guter Palliative Care schliesslich auf Sterbehilfe.
Beim Sterbefasten oder terminalen Fasten geht es um den freiwilligen Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit (FVNF). Beim FVNF können Schmerz- und Beruhigungsmittel sowie Psychopharmaka zur Behandlung von Unruhe und Delir eingesetzt werden. Schwerkranke Menschen, die auf diesem Weg ihren Tod vorzeitig herbeiführen wollen, sollten sich von einem spezialisierten Palliative-Care-Team begleiten lassen, denn Unruhe oder ausgetrocknete Schleimhäute können quälend sein.
Menschen, die sich bereits in Todesnähe befinden, und die unter unerträglichen und nicht therapierbaren Symptomen wie Schmerzen, Delir (Halluzinationen, starke Verwirrtheit, Aufregung) oder Atemnot leiden, können in ihren letzten Stunden in einen künstlichen Schlaf versetzt werden. Palliativ-Spezialist*innen können diese Massnahme mit medizinisch-technischen Hilfsmitteln auch zu Hause gewährleisten.
Viele Fragen drehen sich um die finanzielle Absicherung von Angehörigen oder Haustieren, den Nachlass oder die Bestattung. Der eigene Wille kann in einer Patientenverfügung, einem Vorsorgeauftrag und im Testament festgelegt werden.
Eine Herausforderung für Hinterbliebene kann heutzutage der digitale Nachlass (soziale Netzwerke, Plattformen, kostenpflichtige Abonnemente etc.) eines*einer Verstorbenen darstellen. Sorgen Sie rechtzeitig dafür, dass Angehörige Zugriff auf Benutzernamen und Passwörter erhalten. Digitalisieren Sie wichtige Urkunden, Dokumente und Verträge und machen Sie diese an einem sicheren Ort für ausgewählte Hinterbliebene zugänglich.
Ja, sofern die nötigen Rahmenbedingungen bestehen. Die städtische Spitex kommt drei bis vier Mal täglich für Grundpflege oder Kontrollbesuche vorbei. Spezialisierte Palliative-Care-Teams der Spitex Zürich unterstützen schwerkranke Menschen und ihr Umfeld zusätzlich in instabilen und komplexen Situationen. Alleinstehende Menschen benötigen allenfalls die Hilfe einer (kostenpflichtigen) privaten 24-Stunden-Betreuung oder eines Netzwerks aus Freund*innen, Nachbar*innen und Freiwillige, wenn der Verbleib zu Hause wegen belastender Symptome, Sturzgefahr oder grosser Schwäche allein unmöglich wird.
Die Palliativstationen in den Akutspitälern sind für die Stabilisierung von Palliativpatient*innen gedacht, etwa wenn Symptome nur schwer in den Griff gebracht werden können oder pflegende Angehörige ihre Belastungsgrenze überschreiten. In der Regel sind die Spital-Aufenthalte auf maximal drei Wochen beschränkt, deshalb sollte frühzeitig nach Lösungen für danach gesucht werden, zum Beispiel in Form eines Übertritts in ein Pflegeheim, ein Hospiz oder des Austritts nach Hause mit Unterstützung eines spezialisierten Teams.
Was viele nicht zu fragen wagen
Die Palliative Care Illustrationen wurden zusammen mit der Grafikerin und Designerin Selina Fässler erarbeitet. Sie hat ein neues Kommunikations-Tool mit verschiedenen Kartensets rund ums Thema Lebensende lanciert («Patientenverfügung», «Sterbeethik» und «Sterbeprozess»).