«Ich möchte dazu beitragen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse schneller und leichter in die Praxis einfliessen, damit sie den Bewohnenden zugutekommen.»
Dr. Kornelia Kotkowski, Leiterin Forschung
Der Einbezug von Forschung und Entwicklung hat bei den Gesundheitszentren eine lange Tradition. Den Grundstein dafür legte Dr. Heike Geschwinder, eine der ersten Pflegenden in der Schweiz mit einem Master of Science und einem Doktorat in Pflegewissenschaft. Sie hat die Fachstelle Forschung aufgebaut und war bis zu ihrer Pensionierung Ansprechpartnerin für Forschung, Evaluationen und Publikationen. Kornelia Kotkowski baut nun auf Heike Geschwinders Arbeit auf und entwickelt die Forschung bei den Gesundheitszentren weiter.
Kornelia Kotkowski hat an der Universität Basel das Versorgungsmodell Intercare für Alters- und Pflegeheime mitentwickelt, implementiert und evaluiert (mehr zu Intercare im Link unten). Neben ihrer Tätigkeit bei den Gesundheitszentren ist sie an der Universität Basel als Dozentin für qualitative Forschung tätig.
Kornelia, was ist dein beruflicher Hintergrund?
Ich bin diplomierte Pflegefachfrau und habe in Polen einen Master of Science in Pflege und einen Master of Science in Pädagogik mit Fokus auf Gerontologie und Erwachsenenbildung absolviert. Bevor ich am Institut für Pflegewissenschaften der Universität Basel promoviert habe, war ich im Universitätsspital Zürich als Pflegefachfrau und Fachexpertin in der Thoraxchirurgie tätig. Nach Abschluss meines Doktorats arbeitete ich im Kantonsspital Aarau als Projektleiterin im Departement Pflege. Mir war stets wichtig, Wissenschaft und Praxis näher zusammenzubringen. Ich strebte keine reine wissenschaftliche Karriere an, die sehr kompetitiv ist und bei der es nicht leicht ist, Beruf und Familie miteinander zu vereinen. Vielmehr wollte ich einen direkten Einfluss auf die Praxis nehmen und mich dafür einsetzen, dass wissenschaftliche Erkenntnisse schneller ihren Weg in die Praxis finden und den Bewohnenden zugutekommen.
Was beinhaltet deine Tätigkeit als Leiterin Forschung bei den Gesundheitszentren?
Meine Aufgabe besteht aus zwei Teilen. Zum einen bin ich die Forschungskoordinatorin der Gesundheitszentren. Das heisst, bei mir laufen die Fäden für forschungsbezogene Anfragen zusammen. Ich evaluiere externe Anfragen für Forschungsprojekte sowie für Arbeiten auf Stufe Bachelor, Master und Doktorat und gebe eine Empfehlung ab, ob wir uns beteiligen sollen oder nicht. Bei meiner Entscheidung orientiere ich mich am Nutzen für die Gesundheitszentren und ihre Bewohnenden.
Und der zweite Teil deiner Tätigkeit?
Der besteht darin, dass ich für die Gesundheitszentren praxisorientierte Forschungsprojekte lanciere. In der Pflege, aber auch in anderen Bereichen. Ich möchte zum Beispiel in der Medizin mehr eigene Projekte durchführen mit dem Ziel, zum Wohl der Bewohnenden beizutragen. Wenn Mitarbeitende eine Idee für ein Forschungsvorhaben haben, können sie auf mich zukommen.
Worauf legst du den Fokus bei deiner Tätigkeit?
Ich komme aus der Implementierungsforschung. Mein Fokus liegt auf praxisorientierten Projekten und der Überführung von Erkenntnissen daraus in den Berufsalltag. Es ist bekannt, dass es einen Gap gibt zwischen dem, was erforscht und erprobt ist und dem, was tatsächlich in der Praxis Anwendung findet. Die Implementierungsforschung befasst sich mit der Frage, was die Praxis braucht, damit sie von wissenschaftlichen Erkenntnissen profitieren kann. Das bedeutet zum Beispiel, Mitarbeitende für ein Instrument zu schulen oder Strukturen zu schaffen, damit Neuerungen eingeführt werden können. Aber auch niederschwellige Massnahmen wie Poster, Aushänge oder Guidelines kommen zum Zug. Dabei ist ein enger Austausch mit Fachleuten aus der Praxis absolut zentral, da nur sie einschätzen können, was sie brauchen, um neue Erkenntnisse umzusetzen.
Kannst du uns ein Projekt vorstellen, an dem du arbeitest?
Wir haben gerade ein interprofessionelles Projekt zur Reduktion des Handschuhverbrauchs lanciert. Interprofessionell darum, weil es neben der Pflege auch die Ärzteschaft und die Hotellerie betrifft. Wir gehen davon aus, dass Handschuhe nicht nur genutzt werden, wenn dies indiziert ist, sondern auch darüber hinaus. Das ist aus verschiedenen Gründen problematisch. Zum einen gibt es den Mitarbeitenden ein falsches Sicherheits- respektive Hygienegefühl. Daneben ist es auch ein medizinisches Thema: Das routinemässige Tragen von Handschuhen bei der Betreuung von Bewohnenden erhöht das Risiko einer Verbreitung von Krankheitserregern und kann eine Dermatitis begünstigen. Ebenfalls nicht zu vernachlässigen ist der ökologische Faktor. Da wir keine Daten dazu haben, wie oft Handschuhe nicht auf Indikation getragen werden und aus welchem Grund, werden wir zuerst eine Kontextanalyse in vier Gesundheitszentren durchführen. Das bedeutet, wir lernen die Routine und täglichen Handlungsmuster kennen und ermitteln Faktoren, die das Projekt erleichtern oder behindern können.
Was sind deine Ziele für die Forschung in den Gesundheitszentren?
Ich möchte anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen die Praxis unterstützen und mit Daten Orientierung bieten. Wenn wir ein Pilotprojekt durchführen, soll das Wissen daraus weitergegeben und zugänglich gemacht werden – zum einen sicher innerhalb der Gesundheitszentren, aber auch darüber hinaus. Jedes Gesundheitszentrum soll von Erkenntnissen profitieren und sie individuell bei sich umsetzen können. Eine gute Vernetzung ist mir darum wichtig. Wir müssen stärker voneinander lernen können, um ältere Menschen bestmöglich zu unterstützen und zu begleiten. Das ist der Kern von allem: Egal, was wir tun, am Ende geht es um die Bewohnenden. Ich freue mich, dass wir sehr viele engagierte Mitarbeitende haben, die ihre Profession voranbringen möchten. Das ist die Basis meiner Arbeit: Mitarbeitende, die Expertise und Motivation mitbringen. Denn Forschung ist ein Gemeinschaftsprojekt.