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Exzellenz in der Pflege: Music for Sundowning

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Dass sich Musik positiv auf das Wohlbefinden von Menschen mit Demenz auswirkt, ist durch verschiedene Studien belegt. Doch wie lässt sich Musik ressourcenschonend in der Praxis integrieren und umsetzen? Slavisa Marjanovic, Pflegeexperte im Gesundheitszentrum für das Alter Bombach, berichtet über Erkenntnisse aus einem von ihm geleiteten Projekt.

2. Mai 2024

Slavisa Marjanovic, Pflegeexperte im Gesundheitszentrum für das Alter Bombach
«Menschen mit Demenz zeigen oft Symptome wie Angst, Sorge oder Unruhe. Mit einem Lied, das sie kennen und mögen, können wir sie ablenken und entspannen.»
Slavisa Marjanovic, Pflegeexperte im Gesundheitszentrum Bombach

Sundowning bezeichnet einen Symptomkomplex, der bei Menschen mit Demenz zu beobachten ist: Vom Nachmittag bis in die späten Abendstunden treten bei ihnen häufig vermehrt Anspannung, Angst, Verwirrtheit und Unruhe auf. Das Projekt unter der Leitung von Slavisa Marjanovic zeigt, wie musikalische Interventionen in diesem Zusammenhang erfolgreich eingesetzt werden können.

Slavisa, wie kam es zum Projekt «Music for Sundowning»?
Die Initiative ging von Sven Brenner aus. Er ist bei uns Fachexperte für Demenz und hat sich im Rahmen seiner Bachelorarbeit intensiv mit dem Thema Sundowning beschäftigt. In seiner Arbeit erwähnte er Musik als wirksame Massnahme gegen Sundowning und schlug vor, damit im Gesundheitszentrum Bombach zu arbeiten.

Wie seid ihr das Thema angegangen?
Wir haben keinen ausgebildeten Musiktherapeuten im Haus. Aber ich wusste, dass René Müller, ein Kollege, der als Pflegefachkraft arbeitet, musikbegeistert ist und selbst Gitarre spielt. Er hatte mir mal erzählt, dass er seinen musikalischen Hintergrund gerne im beruflichen Kontext einbringen würde. Also schlug ich vor, dass wir daraus ein Machbarkeitsprojekt machen und die Ergebnisse nach wissenschaftlichen Kriterien auswerten. Das Feasibilty-Projekt war geboren, und als erstes besuchten wir eine Fortbildung zum Thema Musikspiegel.

Was versteht man unter einem Musikspiegel?
Einen Musikspiegel kann man sich als «Soundtrack» des Lebens einer Person vorstellen: Lebensmomente der Person mit Demenz werden unter anderem mit Musikstücken verknüpft, die damit in einem Zusammenhang stehen. Wenn sie diese Musik hören, löst das bei ihnen positive Erinnerungen und Gefühle aus, was ihnen hilft, sich zu entspannen.

Wie sah das Projektdesign aus?
Wir haben uns an bestehenden Studien orientiert und daraus abgeleitet, was wir evaluieren wollten. Dann haben wir zwei Gruppen definiert: eine Gruppe, in der Musikinterventionen durchgeführt werden, und eine vergleichbare Kontrollgruppe ohne Musikinterventionen. 

Wie seid ihr vorgegangen?
Wir fragten die Bewohner*innen nach ihren musikalischen Vorlieben. Da einige dazu keine Auskunft geben konnten, haben wir ergänzend auch die Angehörigen befragt, deren Einverständnis für die Intervention wir im Vorfeld eingeholt hatten. Dann ging es ans Ausprobieren: Wie reagiert jemand auf welche Musik? Das Ergebnis waren individuelle Playlists für die Bewohner*innen, die von den Pflegenden auf dem Tablet abgespielt werden können.

Welche Erkenntnisse habt ihr aus dem Projekt gewonnen?
Der Weg ist auch eine Erkenntnis: Welche Ressourcen werden benötigt? In unserem Fall hat es etwa drei Monate gedauert, Playlists für 18 Bewohner*innen zu erstellen. René Müller war in dieser Zeit an zwei Nachmittagen pro Woche von 14 bis 18 Uhr auf der Abteilung, hat Musik gemacht und Playlists erstellt.

Und aus wissenschaftlicher Sicht?
Unsere Ergebnisse sind mit denen aus der wissenschaftlichen Literatur vergleichbar. Wir konnten bestätigen, dass Wahnvorstellungen, Erregung, Angst und Depression seltener auftraten und dass herausforderndes Verhalten abnahm. Statistisch signifikant waren die Ergebnisse allerdings nur für die Depression. Die Hälfte der Bewohner*innen zeigte Interesse an der Intervention. Mehr als ein Drittel zeigte Freude und nur bei 20 Prozent konnten wir keine Reaktion feststellen. Mehr als der Hälfte der Bewohnenden ging es nach der Intervention besser.

Welche Einblicke gab euch das Projekt? 
Menschen mit Demenz sind oft unruhig oder besorgt. Mit einem Lied, das sie mögen, können wir sie ablenken und entspannen. Wenn ich ihr Lieblingslied kenne und es ihnen vorsinge, singen sie oft mit. Interessant ist, dass Menschen mit Demenz beim Singen keine Wortfindungsstörungen haben. Wenn man sich auf so ein Experiment einlässt, lernt man auch viel von den Bewohnenden. Neulich haben sie mir zum Beispiel ein Trinklied beigebracht. Den Text behalte ich hier lieber für mich.

Wie haben die Angehörigen auf das Projekt reagiert?
Das Engagement der Angehörigen hat mich sehr gefreut: Sie waren neugierig, hatten keine Vorbehalte und konnten es kaum erwarten, dass es losgeht. Im Gegensatz zu anderen Interventionen waren alle vom Nutzen der Musikintervention überzeugt und fanden den Ansatz super. Eine Tochter nahm an einer Musikintervention teil. Dabei legte ihre Mutter ihre Hand auf ihre, was schon lange nicht mehr passiert war. Die Reaktion war emotional und sehr schön zu sehen.     

Wie geht es nach Abschluss des Projekts weiter?
Die erstellten Playlists verwenden wir weiterhin, da sie sich bewährt haben. Die geplante Erweiterung auf die Nachbarstation konnten wir noch nicht umsetzen. Obwohl wir das Projekt bewusst so ressourcenschonend wie möglich gestaltet haben, war der personelle Aufwand nicht unerheblich. Zurzeit bin ich daran, die Ergebnisse unter anderem am Schweizerischen Pflegekongress zu präsentieren, damit auch andere Organisationen davon profitieren können. Zudem erarbeite ich ein Vorgehenskonzept. Es beantwortet die Frage, was es braucht, um Musik auf einer Demenzabteilung auch ohne ausgebildete Musiktherapeut*innen zu implementieren.