Das Labor für Dendroarchäologie der Stadt Zürich ist ein Kulturträger der besonderen Art: Es gehörte zu den weltweit ersten Labors, die für die Anwendung der Dendrochronologie in der Archäologie gegründet wurden. Seit der Gründung im Jahr 1969 wurden über 40.000 Holzproben im Labor gemessen.
Die Dendrochronologie (griech. dendron = Baum, chronos = Zeit, logos = Lehre) ermöglicht die Datierung von Hölzern anhand ihrer Jahrringstruktur.
Der jährliche Zuwachs eines Baumes – der Jahrring – wird sichtbar, weil sich zu Beginn und am Ende der einzelnen Wachstumsperioden unterschiedliche Zellen bilden.
Im Winter wachsen die Bäume in unserem Klima nicht. Im Frühjahr sind die Zellen grossporig (schneller Nahrungstransport), im Herbst sind sie dickwandig (Festigung des Gewebes).
Im Dendrolabor werden die Jahrringbreiten eines Holzes mit einer Messanlage unter einer Stereolupe mit variabler Vergrösserung gemessen und in den Computer eingelesen. Dieser rechnet sie zu einer Kurve um.
Die Jahrringbreite eines Baumes ist grossenteils vom Klima abhängig. Bei Bäumen der gleichen Art, die zur selben Zeit in der gleichen Region gewachsen sind, ist die unregelmässige Abfolge von schmalen und breiten Jahrringen daher ähnlich.
Anhand dieser Abfolge kann ein Holz über die Mustererkennung und die Zuordnung zu einem Holz bekannten Alters datiert werden.
Ausgangspunkt sind heutige Bäume mit bekanntem Schlagdatum. Die Kurve wird zurück in die Vergangenheit durch Wachstumskurven von Bäumen verlängert, die über eine gewisse Zeit gleichzeitig mit den später gefällten gewachsen sind.
Ausgehend von Hölzern der Neuzeit, deren Schlagjahr bekannt ist, wurden die Wachstums- kurven tausender Hölzer zu einer Standardkurve, einem eigentlichen Jahrringkalender zusammengesetzt.
Die aktuelle Standardkurve der Eichen in Süddeutschland und der Schweiz ist die längste der Welt und reicht bis ins 9. Jahrtausend v. Chr. zurück.
Am Computer werden die Wachstumskurven der Hölzer optisch und rechnerisch mit der Standardkurve verglichen. Verläuft eine Wachstumskurve gleich wie ein Bereich der Standardkurve, so ist das Holz datiert.
Falls die Waldkante (WK) – der letzte Jahrring unter der Rinde – noch vorhanden ist, kennen wir das Schlagjahr. Je mehr Jahrringe, desto grösser die Wahrscheinlichkeit einer Datierung.
Die Dendroarchäologen führen verschiedene archäologische und bauanalytische Untersuchungen durch. So werden unter anderem Pfahlbauhölzer, Brückenpfeiler, Holztafeln, Möbel, Skulpturen, Musikinstrumente, Holzkohlestücke oder Mooreichen analysiert.
Eine gezielte Probenentnahme in Gebäuden (Kirchen, Burgen, Wohn- und Oekonomiegebäude in Stadt und Land) ermöglicht die Rekonstruktion der oft wechselvollen Baugeschichte: Baubeginn, Umbauten, Erweiterungen, Renovationen.
Die benötigten Jahrringsequenzen werden mit dünnen Hohlbohrern entnommen. Die Bohrlöcher sind sehr klein und werden wieder verschlossen.
Die vielen datierten jungstein- und bronzezeitlichen Hölzer aus den circumalpinen Seeufersiedlungen liefern ein für Europas Urgeschichte unverzichtbares Chronologiegerüst und lokal wichtige Informationen zur Siedlungsdynamik.
Stützte man sich früher hauptsächlich auf ringreiche Eichenproben, so sind heute auch mit anderen Holzarten und weniger Ringen Datierungen möglich.
In vielen Flüssen stecken im Bereich der heutigen Übergänge auch noch die Pfeilerreste der abgegangenen Vorgängerbrücken im Grund. Bei Baggerungen im Flussbett oder bei Renovationsarbeiten an den Fundamenten kommen sie gelegentlich zum Vorschein.
Gemälde auf Holztafeln, Möbel, Musikinstrumente oder Skulpturen - die Analyse von heiklen Gegenständen kann Händlern, Sammlern und Museen Sicherheit bieten oder Unerwartetes zutage fördern. Eine Rücksprache mit dem Labor lohnt sich in jedem Fall.
Die anatomische Bestimmung und holztechnologische Herstellungsanalyse kann die stilistische Einordnung und exakte Ansprache unterstützen. Auch Datierungen sind oft möglich: Mit Hilfe einer digitalen Kamera können selbst bei heiklen Objekten meistens die Jahrringmuster praktisch zerstörungsfrei dokumentiert und am Bildschirm vermessen werden.
Bei Trockengrabungen können – mit entsprechendem Aufwand natürlich, z.B. mittels Gipsbandagen – bröcklige, aber jahrringreiche Holzkohlestücke geborgen und dann im Labor vermessen werden. Damit werden auch Absolutdatierungen von archäologischen Befunden auf Mineralböden möglich.
In den letzten Jahren sind bei grossflächigen Bauvorhaben oder z.B. Landschaftsveränderungen im Zusammenhang mit dem Bau von Golfplätzen immer wieder umgestürzte und tief im Boden eingelagerte Bäume zum Vorschein gekommen. Solche Stämme können von grossem Interesse sein, weil sie u. U. aus Zeitabschnitten stammen, wo die Standardkurve erst schwach belegt ist.
Darin sind folgende Arbeitsschritte enthalten:
- Fachgerechte Probenentnahme vor Ort (z.B. in Häusern oder auf Grabungen)
- Entnahme von Proben (z.B. Scheiben oder Bohrkerne) oder Anfertigen digitaler Jahrringbilder mittels Kamera (z.B. Kunstgegenstände, bemalte Bauteile);
- Reinigung und Aufbereitung der Hölzer,
- Auswahl des geeigneten Probenmaterials,
- Messungen
- Entnahme von Material für ergänzende C14-Analysen
- Nachbearbeitung der Resultate zusammen mit den AuftraggeberInnen (Auswertung der Grabungspläne, Interpretationshilfen, Erarbeitung von weiterführenden Fragestellungen).
Bestimmung der Holzart an (Kunst-)Objekten, von Bauhölzern aus archäologischem und historischen Kontext und Hausbauteilen aus heute noch stehenden Gebäuden.
Um die optimale Bergung, Dokumentation und Beprobung der zutage geförderten Hölzer zu gewährleisten, bieten wir Unterstützung in verschiedenen Phasen an:
- Hilfestellung im Vorfeld von Untersuchungen
- Begleitung von archäologischen Grabungen und bauanalytischen Untersuchungen (Dokumentation, Probenentnahme, Zwischenlagerung)
- Unterstützung bei der Erarbeitung von dendroarchäologischen Fragestellungen
- Beratung zur Lagerung und Archivierung von Holzfunden
Sind viele Proben aus einem Fundkomplex vorhanden, wie z.B. im Falle von Seeufersiedlungen, können dendroökologische und dendrotypologische Untersuchungen durchgeführt werden: Sie erlauben es, die Holzauswahl zu beschreiben und Aussagen über die genutzten Waldbestände zu treffen. So können naturnahe von menschlich bewirtschafteten Wäldern unterschieden und sogar verschiedene Waldnutzungsformen rekonstruiert werden.
- Laborführungen für Gruppen (max. 20 Personen).
- Diavorträge, Referate mit Anschauungsmaterial, Präsentationen mit Laborausrüstung
- Blockkurse «Einführung in die Dendroarchäologie» für Archäologie und Denkmalpflege, i.e. ArchäologInnen, GrabungstechnikerInnen, StudentInnen, KunsthistorikerInnen u.ä., max. 6 Personen, auf Anfrage.
Niels Bleicher
Telefon direkt +41 44 412 51 52
Felix Walder
Telefon direkt +41 44 412 51 55