
Voraussichtlich im Januar 2026 beginnen an der Rathausbrücke Bauarbeiten. Die heutige, 1973 fertiggestellte «Gemüsebrücke» soll durch einen Neubau ersetzt werden. Zeitgleich setzt das kantonale Amt für Abfall, Wasser, Energie und Luft (AWEL) Hochwasserschutzmassnahmen in der Limmat um: Im Abschnitt von der Rathaus- bis zur Münsterbrücke sind grossflächige Ausbaggerungen des Limmatgrundes vorgesehen. Die Eingriffe sind erheblich und betreffen die archäologische Hinterlassenschaft direkt.
Bei beiden Projekten arbeiten die Kantonsarchäologie Zürich, in deren Zuständigkeit die Intervention in einem Gewässer liegt, die Unterwasserarchäologie und die Stadtarchäologie Zürich eng zusammen. Es gilt in einem ersten Schritt, die betroffenen Bereiche vorgängig in Augenschein zu nehmen, da sie durch die Aushubarbeiten bedroht sein könnten. Ein im September 2024 eingesetzter Tauchroboter liefert erstmals zusammenhängende Bilder des Flussgrundes, anhand derer ab dem November 2024 gezielte Taucheinsätze erfolgen.
Der Standort der Rathausbrücke ist erstmals im frühen 13. Jahrhundert bezeugt, dürfte aber wesentlich älter sein. Er besetzt die engste Stelle zwischen den Ufern im Stadtzentrum, die prädestiniert ist für einen Flussübergang. Es ist möglich, dass im Bett der Limmat Baureste älterer Brückenkonstruktionen erhalten geblieben sind. Sie wären von hohem archäologischem und stadtgeschichtlichem Interesse. Bereits das älteste Bilddokument, die um 1500 von Hans Leu dem Älteren geschaffene Stadtansicht, zeigt die hölzerne «Gemüsebrücke» als Ort des Marktes, platzartig erweitert und mit Bänken ausgestattet.
Auch für 2026 geplant ist die Absenkung der Limmatsohle südlich der Münsterbrücke. Ihre ebenfalls ins Mittelalter zurückreichende Vorgängerin «Obere Brücke» querte den Fluss zwischen Münsterhof und Wasserkirche einige Meter weiter seewärts. Auch von ihr könnten bauliche Reste erhalten geblieben sein, zum Beispiel Holzpfähle, die als Fundationen für die steinernen Brückenjoche in den Grund gerammt worden waren.
Baggerarbeiten in der Limmat fanden bereits im 19. Jahrhundert statt, so 1877 beim Kanalbau im Letten oder 1881 beim Neubau der Rathausbrücke. Es waren starke Eingriffe in das ursprüngliche Flussbett, das bis zu diesem Zeitraum weitgehend intakt geblieben war. Auch damals waren Archäologen im Einsatz.
Ihr Hauptaugenmerk galt den prähistorischen Bronzeobjekten, die in aufsehenerregender Menge vom Flussgrund ans Tageslicht gehoben wurden. Es sind vor allem Schmucknadeln, ferner Schwerter, Lanzen, Beile, Messer und Dolche. Sie werden in der Forschung als Weiheobjekte interpretiert, die von den anwohnenden Menschen in einer religiös motivierten Absicht dem Fluss übergeben worden waren. Diese Kulthandlungen fanden vor allem in der späten Bronzezeit statt (ca. 1300–800 v.Chr.). Zahlreich waren die Keramikfunde aus römischer Zeit, Mittelalter und Neuzeit. Die geborstenen Gefässe sind als Abfälle einzustufen, die im Wasser landeten.
Das Augenmerk der Archäologie gilt nicht nur Einzelobjekten, die unter verschiedenen Umständen und Absichten ins Wasser gelangten. Ein zentrales Thema sind die zahlreichen Bauten in der Limmat, die das alte Zürich am Ufer prägten. Nicht nur Brücken und Gewerbebauten, auch wichtige Gebäude des öffentlichen Lebens wie Rathaus, Richthaus und Wasserkirche stehen in der Limmat oder ragen vom Ufer aus in den Fluss. Die platzartige Rathausbrücke mit ihrem Gemüsemarkt war und ist Dreh- und Angelpunkt des auf den Flussraum ausgerichteten städtischen Lebens. Zum historischen Stadtbild gehörten auch die inzwischen verschwundenen alten Mühlestege, «Fischerhüttli» und Schöpfräder. Ihre Überreste könnten bis heute erhalten sein.
Vielleicht finden sich ausser Bauresten auch Trümmer des legendären «Metzgersteins». Diese Felsplatte lag wenige Meter unterhalb der Rathausbrücke und diente bei Niedrigwasser als Ort für Geselligkeiten. Nachdem sie bereits 1823 «zur Erleichterung der Schifffahrt» zertrümmert worden war, erfolgte 1881 die Sprengung ihrer letzten Reste.