Ab den 1990er-Jahren veränderte sich das Seefeld, damals ein Rotlichtquartier, stark: Häuser wurden renoviert, die Mieten stiegen, Quartierläden verschwanden. Der Begriff «Seefeldisierung» machte die Runde. Angesichts dessen verlangte eine gemeinderätliche Motion im Jahr 2008 mehr bezahlbaren Wohnraum, vor allem für Familien. Denn der Anteil gemeinnütziger Wohnungen im Kreis 8 lag weit unter dem stadtweiten Durchschnitt. Mit der einen Wohnsiedlung Tiefenbrunnen sowie einigen Einzelliegenschaften war auch der städtische Bestand im Quartier gering. Eine kommunale Wohnsiedlung sollte Abhilfe schaffen.
Die Stadt verfügte im Kreis 8 über keine nennenswerten eingezonten Baulandreserven. Zwei Grundstücke konnten indes auf planungsrechtlichem Weg für die 55. städtische Wohnsiedlung verfügbar gemacht werden. Dafür waren eine Teilrevision der Bau- und Zonenordnung (BZO), eine Baulinienrevision und einen privaten Gestaltungsplan nötig. Parallel dazu veranstaltete die Stadt einen Architekturwettbewerb, den das Architekturbüro Knapkiewicz & Fickert gewann.
Die Wohnsiedlung beim Zürichhorn besetzt zwei Grundstücke beidseits der Hornbachstrasse. Zur Bellerivestrasse tragen Vorplätze zum einladenden Ausdruck bei. Die Wohnsiedlung bildet damit ein Tor zum beliebten Wohn- und Geschäftsquartier Seefeld. Sie besteht aus zwei Gebäuden: einem Zeilenbau und einem offenen Blockrand, der einen ruhigen Wohnhof umschliesst. Dank unterschiedlichen Gebäudehöhen sowie Vor- und Rücksprüngen in der Fassade fügen sich die Bauten gut in die Umgebung ein. Dazu trägt auch die zweifarbige Fassade bei, welche den Bau lebendig erscheinen lässt. Ein wichtiger Quartierteil erfährt so die erwünschte Aufwertung und trägt zu einer guten Verdichtung bei.
Der städtebauliche Kontext war die grosse Herausforderung: Wir haben selten die Gelegenheit, an einer derart speziellen Situation zu entwerfen und zu bauen.
Kaschka Knapkiewicz, Knapkiewicz & Fickert Architekten AG Zürich
Die 125 Wohnungen sind zweiseitig ausgerichtet und erhalten dadurch viel Licht. Mit 1,5 bis 5,5 Zimmern erlauben sie unterschiedliche Haushaltformen und sorgen für eine soziale Durchmischung. Die verglasten Balkone sind aus Lärmgründen abgewinkelt und zum See gerichtet. Zumietbare Büro- und Atelierräume gestatten es, am gleichen Ort zu wohnen und zu arbeiten. Zwei Clusterwohnungen bieten zehn bzw. zwölf Personen ein gemeinschaftliches Wohnen. Sie verfügen über private Wohneinheiten mit Bad und teilen sich einen gemeinsamen Koch-, Ess- und Aussenbereich.
Die Stadt vermietet die Wohnungen zu den Selbstkosten (Kostenmiete). Die freitragenden 4,5-Zimmer-Wohnungen mit einer Fläche zwischen 95 und 107 Quadratmeter kosten brutto zwischen 1565 und 1740 Franken, subventionierte Wohnungen des gleichen Typs zwischen 1175 und 1284 Franken (Stand 2024). Die Mietenden beanspruchen im Durchschnitt 29 Quadratmeter Wohnfläche – deutlich weniger als sonst im Quartier (45 m²) und in der Stadt (40 m², Stand 2023). Die Wohnungsgrössen entsprechen den Vorgaben der Wohnbauförderung.
Die Wohnnutzung ergänzen 2200 Quadratmeter preisgünstige Gewerbeflächen für das Kleingewerbe. Ein Hort und eine private Kita decken den wachsenden Betreuungsbedarf im Quartier. Sie sind auf einen Innenhof orientiert, welcher Spiel- und Aufenthaltsort für die Bewohnerschaft ist. Im Innenhof sorgt auch eine Velogarage mit begehbarem Dach für Belebung. Auf der anderen Strassenseite, hinter dem Zeilenbau gibt es Pflanzgärten für die Mieterschaft. Ein kleiner Werkhof dient Grün Stadt Zürich als Basis für die Arbeit im Quartier. Weiter sind zwei Tiefgaragen mit 83 Parkplätzen sowie 380 Veloabstellplätze vorhanden.
Die Wohnsiedlung entspricht dem Minergie-ECO-Standard. Eine Photovoltaik-Anlage und der Seewasserverbund Klausstrasse sorgen für eine CO₂-freie Energieversorgung. Zur lokalen Hitzeminderung und zur Förderung der Biodiversität tragen die vielfältig bepflanzten Siedlungshöfe bei. Ebenso wie bald auch der Hornbach, der freigelegt, hochwassersicher gestaltet und mit Baumreihen ergänzt wird.
- Bauherrschaft Stadt Zürich
- Eigentümervertretung Liegenschaften Stadt Zürich
- Bauherrenvertretung Amt für Hochbauten
- Bauzeit 2017 – 2021
- Architektur Knapkiewicz & Fickert AG, Zürich
- Landschaftsarchitektur Ryffel + Ryffel AG Landschaftsarchitekten, Uster
- Bauingenieurwesen AFRY Schweiz AG (vormals AF Toscano AG), Zürich
- HLKS-Ingenieurwesen 3-Plan Haustechnik AG, Winterthur
- Elektro-Ingenieurwesen maneth stiefel ag, Schlieren
- Auswahlverfahren Architektur Architekturwettbewerb im selektiven Verfahren mit 15 Teams nach SIA 142 (einstufig, anonym), 2012
- Objektkredit CHF 100,7 Mio.
- Raumprogramm 125 Wohnungen (1,5 bis 5,5 Zimmer sowie Clusterwohnungen), Gemeinschaftsraum, 83 Tiefgaragenparkplätze (davon 10 mit Elektroladestationen) und 4 Motorradplätze, 1 Kinderbetreuung (Hort), 1 Kindertagesstätte, Gewerbe, Werkhof
- Mietzinse Kostenmiete (84, freitragende, 41 subventionierte Wohnungen)
- Adresse Baurstrasse 2 – 6 / Bellerivestrasse 145, 147 / Hornbachstrasse 20 – 28, Dufourstrasse 160, 8008 Zürich