Neubauten und bewilligungspflichtige Umbauten müssen gemäss dem Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) hindernisfrei gebaut werden. Für die Beratung zum hindernisfreien Bauen sowie den Vollzug der gesetzlichen Vorgaben ist der Umwelt- und Gesundheitsschutz der Stadt Zürich (UGZ) zuständig.
Ein hindernisfreier Zugang bedeutet:
- ein schwellenloser Zugang und Rampen mit maximal 6 Prozent Steigung
- Mindestmasse für Sanitärräume und Aufzüge
- Ausreichende Durchgangsbreiten in Korridoren, Türöffnungen und Bewegungsflächen
- Erreichbarkeit von Bedienelementen
- Rollstuhlgerechte (Besucher-)Parkplätze
Das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) unterscheidet drei Kategorien von Bauten und Anlagen, für die spezifische bauliche Anforderungen gelten:
In die Kategorie I fallen öffentlich zugängliche Bauten und Anlagen (BehiG Art. 3 lit. a) sowie Bauten mit öffentlich zugänglichen Dienstleistungen (BehiG Art. 3 lit. e). Sie müssen für jede Person ohne Ershwernis oder Hilfe von Dritten zugänglich und nutzbar sein, auch für Personen mit Körper-, Seh- und Hörbehinderung.
Betroffen sind folgende Einrichtungen:
- Bauten der öffentlichen Hand.
- Bauten, die einem allgemeinen Publikum offen stehen wie Restaurants, Läden, Kinos, Banken, Museen, Einstellhallen, Sport- und Wellnessanlagen sowie Plätze.
- Bauten, die einem bestimmten Publikum zugänglich sind wie Schulen, Kirchen oder Clubanlagen.
- Bauten mit Dienstleistungen, die von einem nicht näher bestimmten Publikum in Anspruch genommen werden wie Praxen, Anwaltskanzleien.
Der Zugang muss ab öffentlichem Grund bis und mit Haupteingang hindernisfrei gestaltet werden. Alle baulichen Einrichtungen müssen für Rollstuhlfahrende erreichbar und benutzbar sein:
- Höhenunterschiede müssen stufenlos, mit Rampen oder rollstuhlgängigen Aufzügen (Kabinenmass 1,10 x 1,40 m oder bei hohem Personenverkehr 1,10 x 2,00 m) überwindbar sein.
- Korridore und Wege müssen über Wendeflächen verfügen und Türen, Windfänge oder Durchgänge müssen ausreichend breit zur selbständigen Benutzung für Personen im Rollstuhl gebaut werden.
- Sanitäranlagen müssen, wo für Allgemeinpublikum erstellt, auch rollstuhlgängige Toiletten aufweisen.
- Wenn Toilettenanlagen gegen Räume öffnen, in denen mit Lebensmitteln umgegangen wird (Verarbeitung, Lager, Transport offener Lebensmittel), kann ein Vorraum nötig werden. Dieser muss manövrierfähig sein und somit bestimmte Mindestmasse aufweisen.
- Allfällige Installationen in rollstuhlgerechten Toilettenräumen (Heizung, Wickeltisch usw.) dürfen nicht in die Mindestmasse des Raumes hineinragen.
- Arbeitsflächen und Schalteranlagen müssen kundenseitig auch für Rollstuhlfahrende erreichbar sein.
Zur Sicherheit und als Orientierungshilfe für Seh- und/oder Hörbehinderte ist bei Bauten und Anlagen mit bedeutendem Publikumsverkehr das Folgende zu beachten:
- Kontrastreiche Gestaltung der Raumbegrenzungsflächen oder die Kennzeichnung allfälliger Hindernisse sowie Warn- und Beschriftungstafeln
- in Bereichen mit viel Publikum ertastbare Wegeführung und Bodeninformationen sowie Kennzeichnung von Treppen
- Beleuchtung gemäss Normen SN EN 12464-1 und SN 150 911, insbesondere zum Ablesen und Absehen der Sprechbewegungen
- Nachhallzeiten in kleinen (bis 250 m³) und grossen Räumen (bis 5000 m³), welche die DIN 18041 erfüllen, zur sprachlichen Kommunikation
- in Mehrzweck- und Kultusräumen auf Sprache oder Musik ausgelegte Beschallungsanlagen
In die Kategorie II der Norm SIA 500 fallen alle Wohnbauten, die nicht für eine spezifische Nutzergruppe mit höheren Anforderungen konzipiert sind.
1–4 Wohneinheiten
Es sind keine Massnahmen für den Bau und Umbau vorgegeben.
5–8 Wohneinheiten
Bei Neubauten von Wohngebäuden mit fünf bis acht Wohneinheiten müssen die Einheiten wenigstens eines Geschosses für Menschen mit Behinderungen zugänglich sein. Der Zugang zu den übrigen Wohneinheiten muss anpassbar sein. Das Wohnungsinnere sämtlicher Wohnungen muss den Bedürfnissen von Rollstuhlfahrenden angepasst werden können (PBG § 239b).
Ab 9 Wohneinheiten
Bei Neu- und Umbauten von Wohngebäuden mit mehr als acht Wohneinheiten mit Zugang über das gleiche Treppenhaus muss die Erschliessung bis zu den Wohnungseingangstüren hindernisfrei ausgeführt werden. Das Wohnungsinnere muss den Bedürfnissen von Rollstuhlfahrenden angepasst werden können. In Arealüberbauungen ist dies ungeachtet der Anzahl Wohnungen zu berücksichtigen (BehiG Art. 3 lit. c, PBG § 239a).
- Höhenunterschiede müssen stufenlos, mit Rampen oder rollstuhlgängigen Aufzügen (Kabinenmass 1,1 x 1,4 m) überwindbar sein.
- Die Vorgaben aus Norm SIA 500, Hindernisfreie Bauten, müssen auch bei Aussenanlagen, Wegen und Korridoren eingehalten werden.
- Mindestens ein Sanitärraum, die Korridore und Bewegungsflächen sowie die Türen, auch Balkontüren, müssen den Anforderungen gemäss den Richtlinien «Wohnungsbau: hindernisfrei – anpassbar» (1992) entsprechen. Die Neuauflage der Richtlinie (2023) ist noch nicht rechtsgültig.
Solche Wohnungen eignen sich für den Empfang aller Besucher*innen, auch für diejenigen mit Rollstuhl. Werden Bewohner*innen behindert, kann zudem später die notwendige individuelle Anpassung ausgeführt werden.
In die Kategorie III der Norm SIA 500 fallen Bauten, in denen sich Arbeitsplätze befinden, d. h. Arbeiten oder Dienstleistungen erbracht werden. Hierzu gehören beispielsweise Verwaltungs-, Gewerbe- und Industriegebäude sowie Arbeitsplatzbereiche in öffentlich zugänglichen Bauten.
Bei Bauten mit mehr als 50 Arbeitsplätzen bzw. mit mehr als 1000 m2 Fläche muss der Arbeitsplatzbereich hindernisfrei erreichbar und den individuellen Bedürfnissen eines behinderten Arbeitnehmenden anpassbar sein. Er soll grundsätzlich alle den übrigen Arbeitnehmenden zugänglichen Bereiche ebenfalls erreichen können. Die Besucherbereiche müssen zudem hindernisfrei erreichbar und für alle Personen benutzbar ausgeführt sein (BehiG Art. 3 lit. d).
- Höhenunterschiede müssen stufenlos, mit Rampen oder rollstuhlgängigen Aufzügen (Kabinenmass 1,10 x 1,40 m oder bei hohem Personenverkehr 1,10 x 2,00 m) überwindbar sein.
- Auch Korridore, Wege und Wendeflächen sowie Türen müssen den Vorgaben der Norm SIA 500, Hindernisfreie Bauten, entsprechen.
- In der Regel soll pro Treppenhauskern mindestens eine rollstuhlgängige Toilette vorgesehen werden; wenn möglich, bei den allgemeinen WC-Anlagen.
Die Fachinformationen der Schweizer Fachstelle für Hindernisfreie Architektur vermitteln ausführliches Fachwissen zur Umsetzung der SIA 500.
Wichtiger Auslöser, das Thema «Hindernisfrei Bauen» in Tiefbauarbeiten zu integrieren, sind zahlreiche gesetzliche Grundlagen. Für Zürich am bedeutendsten sind das Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG), das seit dem 1. Januar 2004 in Kraft ist sowie Art. 11 Abs. 4 der Verfassung des Kantons Zürich (KV). Aus beiden ergibt sich ein verfassungsmässiger Individualanspruch von Menschen mit Behinderungen für den hindernisfreien Zugang zu neuen sowie bestehenden Bauten und Anlagen.
Von hindernisfreien Strassen, Wegen, Plätze sowie Unter- und Überführungen profitieren nicht nur für Menschen mit Behinderungen, sondern auch
- ältere Menschen mit reduzierten geistigen und körperlichen Fähigkeiten,
- kleine Kinder mit anderer Wahrnehmung und Bewegungsart,
- Personen mit Kinderwagen,
- Reisende mit schwerem Gepäck,
- und ein steigendes Alltagstempo einer verstärkt technisierten Gesellschaft.
In Zahlen ausgedrückt bedeutet das:
- 10% der Bevölkerung sind auf Hindernisfreiheit dringend angewiesen
- 40% der Bevölkerung brauchen Hindernisfreiheit als notwendige Unterstützung
- 100% der Bevölkerung schätzen Hindernisfreiheit als Komfortverbesserung
Dies erfordert einen einfachen, klaren und intuitiv zu begreifenden Raum, in dem sich alle Nutzergruppen gut zurecht finden.
Im Rahmen des gesamtstädtischen Fokus-Themas Gleichstellung sind alle Planungsbeteiligten eingeladen, sich mit dem Thema Hindernisfreiheit auseinanderzusetzen.
Ein frühzeitiges Berücksichtigen der Anforderungen an eine hindernisfreie Umwelt ist insbesondere in der gestalterischen Entwicklung von Räumen notwendig, kann damit selbstverständlich in Projekte integriert werden und muss nicht im Nachhinein mit hohem Kostenaufwand nachgerüstet werden.
Die Stadt Zürich entwickelte in der «Arbeitsgruppe Hindernisfrei Bauen» im Rahmen verschiedener Teilprojekte, in Kooperation mit Vertretern der Behindertenverbände, neue Standards zu den Themen Trottoirüberfahrt, Oberflächen, Veloführung, Möblierung des öffentlichen Raums, Tram und Fussverkehr, Über- und Unterführungen, Baustellen, ÖV-Haltestellen sowie Parkieren.
Die Ergebnisse dieser Teilprojekte flossen in die Normen für städtische Tiefbauvorhaben (TED-Normen) und Standards für Elemente im Stadtraum (Standards Stadträume) ein.
Für Planende und Bauende werden aus diesen Teilprojektberichten die wesentlichen Inhalte in Zusammenfassungen dokumentiert. Diese sollen im Planungsalltag effiziente Hilfen sein, entsprechende Fragestellungen und Inhalte erfassen und lösen zu können.
In den VSS Normen und Regeln werden beispielsweise dieses geregelt:
- SN 640 852 Taktil-visuelle Markierungen
- SN 640 075 Fussverkehr - Hindernisfreier Verkehrsraum
- SN 640242 Querungen für den Langsamverkehr - Trottoirüberfahrten
Damit Menschen mit Behinderungen Baustellen gut passieren können, müssen Baustelleneinrichtungen hindernisfrei gebaut werden.
Baustellen verändern die Umgebung und die gewohnten Wege über kurze oder lange Zeiträume. Für Menschen mit Geh-, Sehbehinderung und Beeinträchtigung des Orientierungsvermögens ist dies eine besondere Herausforderung.
Der Leitfaden basiert auf den gesetzlichen Grundlagen des Behindertengleichstellungsgesetz und des Strassenverkehrsgesetz sowie weiteren Normen und Richtlinien.
Haben Sie Fragen zum hindernisfreien Bauen? Unsere Expert*innen beraten Sie gerne.
Informationen zum Beratungsangebot