Erneuerbare Energien auf dem Vormarsch
Seit zehn Jahren werden zunehmend erneuerbare Energien für die Wärmeversorgung der Wohnungen in der Stadt Zürich genutzt. Während in Zürich-Nord und Zürich-West die meisten neuerstellten Wohnungen an das städtische Fernwärmenetz von ERZ Entsorgung + Recycling Zürich angeschlossen werden, gewinnen im übrigen Stadtgebiet vor allem Wärmepumpen an Bedeutung. In älteren Gebäuden werden indes weiterhin viele Öl- durch Gasheizungen ersetzt. (21. August 2017 - Urs Rey)
Erstmals seit der Volkszählung 2000 bildet das Gebäude- und Wohnungsregister der Stadt Zürich (GWZ) die Wärmeversorgung des Wohnraums wieder zuverlässig ab. Zur Aktualisierung des Wohnungsbestandes im GWZ werden die im Baubewilligungsprozess anfallenden Informationen verwendet. Nicht jeder Heizungsersatz führt jedoch zu einem Eintrag im GWZ, denn oft erfolgt die Meldung im verkürzten Anzeigeverfahren. Deshalb liess sich die Energieträgerstruktur bislang nicht korrekt nachführen. Die Integration zusätzlicher Datenquellen (Feuerungskontrolle, Fernwärmeanschlüsse, Erdsonden-Register) erlaubt nun wieder einen Überblick über die gesamte Wärmeversorgung.
Der vorliegende Artikel zeigt den aktuellen Stand von Mitte 2017 und die langfristigen Veränderungstendenzen der Energieträger im Wohnbereich. Die Aussagen beziehen sich nicht direkt auf die Heizanlagen, sondern auf die Zahl der entsprechend beheizten Wohnungen. Im GWZ wird jeweils nur der Hauptenergieträger für Heizwärme festgehalten. Ergänzende Anlagen wie Sonnenkollektoren, Cheminéeöfen, Elektroheizungen oder weitere Separatsysteme für die Warmwassererzeugung werden nicht erfasst.
Energieträgermix 2017
Gasheizungen überwiegen
Jede zweite der aktuell etwa 220 000 Wohnungen in der Stadt Zürich wird heute durch Gas beheizt (Tabelle 1 und Grafik 1). Mehr als ein Viertel ist an eine Ölheizung angeschlossen. Die verbleibenden 23 Prozent werden mit erneuerbarer Energie gewärmt: 15,7 Prozent durch Fernwärme, 6,6 Prozent durch Umgebungswärme via Wärmepumpensysteme sowie 0,9 Prozent durch Holz.
Wohnungen nach Energieträger 1990-2017
1990 | 2000 | 2017 (30.6.) | |
---|---|---|---|
Total | 186 300 | 196 500 | 220 800 |
Heizöl | 129 800 | 108 400 | 60 000 |
Gas | 42 800 | 70 000 | 110 100 |
Holz | 1 800 | 1 000 | 2 100 |
Umgebungswärme (Wärmepumpe) | 200 | 800 | 13 200 |
Fernwärme | 10 400 | 15 200 | 34 800 |
Andere | 1 300 | 1 100 | 700 |
Tabelle 1: Wohnungen nach Energieträger 1990-2017
Langfristige Entwicklung seit 1990
Gas löste Heizöl als wichtigsten Energieträger erst vor etwa zehn Jahren ab. 1990 waren 70 Prozent aller Wohnungen in der Stadt ölbeheizt, zehn Jahre später nur noch 55 Prozent. Seit 2000 beschleunigt sich der Rückgang von Ölheizungen, und der Ölanteil halbierte sich innerhalb von 17 Jahren. Die Zahl der gasbeheizten Wohnungen hingegen verdreifachte sich seit 1990 beinahe; ihr Anteil erhöhte sich von 23 Prozent (1990) über 36 Prozent (2000) auf 50 Prozent (2017).
Erneuerbare Energien verbreiten sich seit Beginn des 21. Jahrhundert immer stärker. Heute werden 34 800 Wohnungen mit Fernwärme beheizt. Damit verdoppelte sich der Anteil in der Stadt von 7,7 Prozent (2000) auf 15,8 Prozent. Wärmepumpen heizten im Jahr 2000 erst 800 Wohnungen; heute sind es mehr als 13 000, und auch die Zahl holzbeheizter Wohnungen stieg dank moderner Grossfeuerungen auf über 2000. Elektrische Widerstandsheizungen mögen in einzelnen Wohnungen noch ergänzend Verwendung finden, sind aber als Hauptenergieträger weitgehend verschwunden.
Ungleiche Schwerpunkte im Stadtgebiet
Aufgrund verschiedener naturräumlicher und infrastruktureller Bedingungen sind die Energieträger in der Stadt ungleich verbreitet. Die wichtigste Komponente ist dabei das Fernwärmenetz von ERZ Entsorgung + Recycling Zürich. Es nutzt die Abwärme der Kehrichtverwertungsanlage Hagenholz und Josefstrasse sowie die Verbrennungswärme des Holzheizkraftwerks Josefstrasse und leitet sie in Form von heissem Wasser und Dampf durch ein unterirdisches Versorgungsnetz. ERZ betreibt zwei unabhängige Verteilnetze. Zürich-Nord bildet mit dem Hochschulquartier eine grosse Einheit, die hauptsächlich durch das Werk Hagenholz versorgt wird. Das kleinere Versorgungsgebiet Zürich-West wird durch das Kehrichtverwertungsanlage Josefstrasse beliefert.
In den 1990er-Jahren beschloss der Stadtrat, dass in Zürich-Nord aus Effizienz- und Umweltgründen langfristig Fernwärme als einziger leitungsgebundener Energieträger angeboten und das Gasnetz bis 2024 schrittweise stillgelegt werden soll. Im sogenannten Gasrückzugsgebiet von Neu-Affoltern bis Schwamendingen dominiert heute denn auch die Fernwärme, genauso wie im Escher-Wyss-Quartier, dem Einzugsbereich des Heizkraftwerks Josefstrasse. In diesen Quartieren sind zwischen 58 und 70 Prozent aller Wohnungen ans Fernwärmenetz angeschlossen (Grafik 2).
In den anderen Stadtquartieren dominiert Erdgas. In der Altstadt und der City beträgt der Gasanteil über 80 Prozent, und auch in der übrigen Innenstadt werden mehr als 60 Prozent der Wohnungen mit Gas beheizt. Ausserhalb des Fernwärmegebiets liegt der Gasanteil nur in den Stadtrandquartieren Leimbach, Witikon und Affoltern knapp unter 50 Prozent.
Der Anteil der durch Wärmepumpen beheizten Wohnungen stieg seit 2000 wie erwähnt stark an, wobei Erdwärme die wichtigste Wärmequelle ist. Bohrungen sind jedoch in Grundwassergebieten nicht erlaubt. Entsprechend eingeschränkt ist ihre Bedeutung vor allem in der Altstadt und in den Kreisen 4 und 5, denn grosse Teile dieser Quartiere liegen über dem wichtigen Grundwasserstrom entlang der Limmat.
Der Heizölanteil ist in allen Quartieren rückläufig. Besonders niedrig ist er in der Altstadt sowie in den Quartieren Escher Wyss und Saatlen, wo der Fernwärmeanteil am höchsten ist. Am Stadtrand ist Heizöl tendenziell noch stärker verbreitet, besonders in Witikon und Leimbach mit rund 40 Prozent.
Heizungsersatz im Altbestand
Von Öl zu Gas
2017 lässt sich bei 108 000 Wohnungen, die bereits im Jahr 2000 existierten, ein Heizungswechsel feststellen. In 43 Prozent dieser Wohnungen blieb der Energieträger der gleiche, bei den übrigen 57 Prozent wurde er gewechselt. Die Wechselquote ist bei den einzelnen Energieträgern unterschiedlich hoch. Bei Gasheizungen wurde im Falle eines Heizungsersatzes nur in 22 Prozent der betroffenen Wohnungen der Energieträger ausgetauscht; 78 Prozent blieben bei Gas.
Ölbeheizte Wohnungen erhielten dagegen zu 76 Prozent einen anderen Energieträger. Die verbreiteten Wechsel führten dazu, dass sich die Zahl der ölbeheizten Wohnungen innert 17 Jahren fast halbierte. 39 000 der 65 000 zuvor ölbeheizten Wohnungen mit Heizungswechsel sind heute ans Gasnetz angeschlossen, 7200 ans Fernwärmenetz; bei 2500 ist eine Wärmepumpe in Betrieb. Nur knapp 16 000 Wohnungen erhielten wieder eine Ölheizung (Grafik 3).
Seit 2007 hat sich die Zahl der ersetzten Heizungen deutlich erhöht, nachdem sie zuvor tendenziell stagnierte oder sogar rückläufig war (Grafik 4). Dies obwohl sich die Zahl der erneuerten Wohnungen seit 2007 kaum erhöhte. In den letzten zehn Jahren wurden durchschnittlich 5800 Heizungen ersetzt, aber nur 2800 Wohnungen erneuert.
Der vermehrte Heizungsersatz wird von einem verstärkten Wechsel der Energieträger begleitet. Der Heizungsersatz ohne Energieträgerwechsel blieb im beobachteten Zeitraum etwa konstant. Der mit einem Wechsel verbundene Heizungsersatz erhöhte sich dagegen beträchtlich: Waren im Durchschnitt der Jahre 2000 bis 2007 noch 1400 Wohnungen betroffen, erhöhte sich das Jahresmittel in der Periode 2008 bis 2016 auf 3250.
Entwicklung der einzelnen Energieträger
Am wichtigsten war dabei der Wechsel von Heizöl zu Gas. In Grafik 4 korrespondiert der Verlauf von «Nicht mehr Heizöl» und «Wechsel zu Gas» weitgehend, mit einem klaren Maximum im Jahr 2014. Die Zahl der Ölheizungen, die durch eine andere Ölheizung ersetzt wurden, ging dagegen stark zurück. Seit 2008 stieg auch die Zahl der Altbauwohnungen, die neu an erneuerbare Energieträger wie Wärmepumpen oder das Fernwärmenetz angeschlossen wurden.
Heizsysteme bei Neubauten
Breiter Energieträgermix in Neubauten
Die Dynamik, die die Energiebranche vor etwa zehn Jahren erfasste, manifestiert sich auch bei den Neubauten. In den 1990er-Jahren wurden über 80 Prozent der neuerstellten Wohnungen an das städtische Gasnetz angeschlossen, rund 10 Prozent erhielten einen Fernwärmeanschluss, der Rest entfiel auf Ölheizungen (Grafik 5). Seit 2000 entstanden praktisch keine Neubauten mit Ölheizungen mehr. Hingegen erhöhte sich die Zahl der Fernwärmeanschlüsse markant, was nicht zuletzt auf die hohe Bautätigkeit in Zürich-Nord (vor allem Neu-Oerlikon) zurückzuführen ist.
Seit 2006 verbreiterte sich das Spektrum der installierten Heizungsarten zusätzlich: Zunächst entstanden in einigen Überbauungen grosse Holzheizungen. Daneben förderten erhöhte Dämmvorschriften die Verbreitung von Niedertemperatur-Heizsystemen. Erdsonden-Wärmepumpen verbreiteten sich rasant, und in den letzten Jahren erhöhte sich zudem die Zahl der Wärmeverbünde, die auch auf niedertemperaturige Energiequellen wie Grund- und Seewasser oder Abluft zurückgreifen. Daneben werden in neueren Überbauungen vermehrt Erdregister zur Wärmespeicherung eingesetzt.
Minergie wird zum Normalfall
Die Fortschritte der Energie-, Dämm- und Lüftungstechnik lassen sich an der Entwicklung der Minergie-Bauten ablesen. Im Jahr 2010 stieg der Anteil der Neubauwohnungen mit Minergie-Label erstmals über die 50-Prozent-Marke, und in den letzten Jahren pendelte er sich er bei rund 70 Prozent ein (Grafik 6). Seit 2014 erfüllt zudem jede zweite Wohnung in zertifizierten Gebäuden die Voraussetzungen für einen erhöhten Minergie-Standard (Minergie-ECO, Minergie-P oder Minergie-A). Daneben wurden vermehrt Altbauten im Zuge von Modernisierungen zertifiziert. Von Anfang 2015 bis Ende 2016 erhielten insgesamt 1000 erneuerte Wohnungen das Minergie-Label, was einem Anteil von 16 Prozent an allen Erneuerungen entspricht.
Kontrollierte Lüftungen als Standard
Nicht nur in Minergie-Bauten werden Lüftungen immer mehr zum Standard. Seit 2010 verfügen über 80 Prozent aller neuerstellten Wohnungen über eine kontrollierte Lüftung (Grafik 7). Dieser hohe Anteil ist nicht allein auf das Umweltbewusstsein oder die verschärften Energievorschriften zurückzuführen. Er ist in der Stadt wohl auch dem Umstand zu verdanken, dass Lüftungen an lärmbelasteten Lagen den Wohnkomfort besonders stark erhöhen.
Daten
Gebäude- und Wohnungsregister (GWZ)
Statistik Stadt Zürich führt das Gebäude- und Wohnungsregister der Stadt Zürich (GWZ). Das GWZ wird für Statistik-, Forschungs- und Planungszwecke genutzt und folgt den Richtlinien des eidgenössischen Gebäude- und Wohnungsregisters. Dabei ist für jedes Gebäude unter anderem der Energieträger der Heizung zu führen. Die Nachführung erfolgt in Koordination mit der jährlichen Bau- und Wohnbaustatistik, die auf dem Baubewilligungsprozess basiert. Nicht jeder Heizungsersatz führt aber zu einem Eintrag im GWZ, denn oft erfolgt die Meldung im verkürzten Anzeigeverfahren. Die Energieträgerstruktur liess sich deshalb bislang nicht zuverlässig nachführen.
Externe Datenquellen für Energieträger
2017 wurden die vorhandenen Einträge mit aktuellen externen Datenquellen abgeglichen. Die Daten der kommunalen Feuerungskontrolle, die Liste der Fernwärmeanschlüsse sowie diejenige der bewilligten Erdsonden. Die Quellen sollen auch künftig zur Aktualisierung der Energieträger verwendet werden. Die aktualisierten Daten des GWZ stehen ab Ende 2017 der Öffentlichkeit zur Verfügung.
Lüftungen und Minergie-Zertifikate
Die Vergleiche mit den Jahren 1990 und 2000 basieren auf den Gebäude- und Wohnungserhebungen im Rahmen der entsprechenden Volkszählungen. Angaben zu Lüftungen werden seit 2008 im GWZ erhoben. Zur Ermittlung der Zertifikate wurden die GWZ-Angaben mit der Liste zertifizierter Minergie-Gebäude abgeglichen.
Begriffe
Energieträger
Der vorgegebene Katalog der Energieträger des Gebäude- und Wohnungsregister unterscheidet zwischen den Energieträgern Heizöl, Gas, Holz, Wärmepumpe, Fernwärme sowie den quantitativ heute unbedeutenden Varianten Kohle, Elektrizität und Sonnenkollektoren. Letztere Einträge werden im vorliegenden Artikel zusammen mit der verbleibenden Gruppe „Andere Energieträger“ ausgewiesen.