Wem gehört Zürich?
Mit der steigenden Beliebtheit der Stadt Zürich als Wohn- und Arbeitsort wächst der Nutzungsdruck auf den Boden: Immer mehr Menschen nutzen die vorhandenen 92 Quadratkilometer immer intensiver. Damit verändern sich auch die Bedürfnisse an die Nutzung des beschränkten Bodens in der Stadt. (10. November 2016 - Martin Brenner)
Wie der Boden genutzt wird hängt vornehmlich von zwei Faktoren ab: Einerseits von den Rahmenbedingungen – insbesondere gesetzlichen Vorgaben wie Bau- und Zonenordnung – anderseits aber auch von den Entscheidungen der Eigentümerschaft. Doch wer ist diese Eigentümerschaft in der Stadt Zürich? Wem gehört welcher Anteil am Boden? Und wem gehören wie viele Wohnungen?
Öffentliche Hand grösste Grundbesitzerin in der Stadt Zürich
Betrachtet man die gesamte Stadtfläche, so ist die öffentliche Hand mit Abstand die grösste Eigentümerin: Ihr gehören rund 57,5 Prozent des Bodens in der Stadt Zürich (siehe Grafik 1). An zweiter Stelle stehen mit 20,1 Prozent die natürlichen Personen, knapp vor den privaten Gesellschaften, in deren Eigentum sich 15,4 Prozent des Bodens befinden. Bezüglich Grundbesitz nur eine kleine Rolle spielen hingegen die Wohnbaugenossenschaften (4,4 Prozent) und die Stockwerkeigentümergemeinschaften (2,7 Prozent).
Der hohe Anteil der öffentlichen Hand relativiert sich bei der Betrachtung der Zusammensetzung dieser 53 Quadratkilometer: Knapp ein Viertel des Bodens in öffentlicher Hand wird von Wald bedeckt, etwa ein Achtel sind Äcker und Wiesen, gut 10 Prozent sind Strassen, weitere 5 Prozent Trottoirs. Und auch der Zürichsee fällt grösstenteils ins öffentliche Eigentum. Von Wohngebäuden bedeckt ist hingegen nur gut 1 Prozent des Bodens in öffentlicher Hand.
Dominanz der öffentlichen Hand beim Bauland weniger ausgeprägt
Entsprechend fällt das Bild deutlich anders aus, wenn nur Bauland betrachtet wird: Auch dann bleibt die öffentliche Hand zwar weiterhin die bedeutendste Landbesitzerin der Stadt, mit 36,1 Prozent ist ihr Anteil aber deutlich kleiner als über alle Zonen betrachtet. Natürliche Personen und private Gesellschaften besitzen je etwa einen Viertel des Baulandes. Der Anteil der Wohnbaugenossenschaften und Stockwerkeigentümergemeinschaften bleibt zwar mit 8,9 bzw. 5,4 Prozent auch in dieser Betrachtungsweise relativ bescheiden, ist jedoch rund doppelt so hoch wie bei einer Auswertung über alle Zonen.
Private Gesellschaften in Zentrums- und Industriezonen dominant
Etwas anders fallen die Eigentumsverhältnisse in Zentrumszonen aus: Hier dominieren mit fast 55 Prozent klar die privaten Gesellschaften, deutlich vor der öffentlichen Hand. Stockwerkeigentümergemeinschaften und Privatpersonen spielen hingegen nur eine kleine, Wohnbaugenossenschaften eine minimale Rolle. Noch deutlicher ist die Dominanz der privaten Gesellschaften nur in den Industriezonen, wo rund zwei Drittel des Bodens dieser Eigentumsgruppe gehört.
Natürliche Personen besitzen die meisten Wohnungen
Eine Alternative zur Betrachtung der Landfläche ist die Verteilung der Wohnungen: Hier stellen die natürlichen Personen mit Abstand die grösste Gruppe – ihnen gehört mit 37,9 Prozent mehr als ein Drittel aller Wohnungen in der Stadt Zürich und damit etwas mehr als wenn das Land in reinen Wohnzonen betrachtet wird. Einen grösseren Anteil am Wohnungsbestand als am in Wohnzonen gelegenen Boden haben aber auch alle anderen Eigentumsgruppen – mit Ausnahme der öffentlichen Hand. Diese besitzt einen deutlich grösseren Anteil am Land in Wohnzonen als an Wohnungen. Ein Grund dafür ist, dass ihr die meisten Strassen in Wohngebieten gehören, die ebenfalls zur Wohnzone zählen, aber keine Wohnungen beinhalten. Ein zweiter Grund ist, dass die öffentliche Hand oftmals Land im Baurecht anderen Bauträgrern zur Verfügung stellt. Es kommt daher immer wieder vor, dass der Boden im Besitz der öffentlichen Hand bleibt, die Wohnungen aber in Eigentum der Baurechtsnehmendenden Eigentumsgruppe fällt.
Eigentümerschaft der Stadt Zürich hängt von Betrachtungsweise ab
Die zweitwichstigste Eigentumsgruppe bei den Wohnungen sind private Gesellschaften. Mit einem Anteil von 28,0 Prozent gehört dieser Eigentumsgruppe etwas mehr als jede vierte Wohnung. Wohnbaugenossenschaften besitzen mit einem Anteil von 18,1 Prozent noch knapp jede fünfte Wohnung, während sich mit einem Anteil von 9,3 Prozent knapp jede zehnte Wohnung im Eigentum von Stockwerkeigentümergemeinschaften befindet. Die mit Abstand kleinste Eigentümerguppe bildet mit einem Anteil von 6,8 Prozent aller Wohnungen die öffentliche Hand – obwohl sie mehr als die Hälfte des Bodens in der Stadt Zürich besitzt. Die Antwort auf die Frage, wem Zürich gehört, hängt also stark davon ab, woran man die Besitzverhältnisse misst.
Eigentumsstrukturen ändern sich in der Regel nicht in kurzer Zeit. Über längere Zeiträume sind Veränderungen aber durchaus denkbar. Um die zeitliche Entwicklung der Eigentumsstrukturen zurückzuverfolgen macht es daher Sinn, zeitlich möglichst weit zurückzugehen. Für die Eigentumsstruktur des Wohnungsbestandes sind die Zahlen bis 1956 nachverfolgbar. Ein Betrachtungszeitraum von 60 Jahren dürfte lange genug sein, um langfristige Entwicklungen erkennen zu können.
Sinkender Anteil an Wohnungen im Eigentum von natürlichen Personen
Vergleicht man die heutigen Eigentumsverhältnisse mit denen von 1956, so fällt vor allem der deutlich gesunkene Anteil von Wohnungen im Eigentum von natürlichen Personen auf (siehe Grafik 2). Gehörten 1956 mit 57 Prozent noch deutlich mehr als die Hälfte aller Wohnungen natürlichen Personen, so sind es heute mit 38 Prozent nur noch etwas mehr als ein Drittel. Der Rückgang des Anteils natürlicher Personen als Wohnungseigentümer verlief recht kontinuierlich über die Zeit, mit einer leicht beschleunigten Entwicklung im letzten Jahrzehnt.
Leicht relativiert wird der rückläufige Anteil Wohnungen im Eigentum von Privatpersonen durch das Aufkommen des Stockwerkeigentums ab 1965. Ein grosser Teil der Stockwerkeigentümerinnen und -eigentümern sind ebenfalls natürliche Personen, so dass das Stockwerkeigentum zumindest teilweise auch zu den natürlichen Personen gezählt werden könnte. Doch selbst wenn die beiden Kategorien ab 1978 zusammengezählt würden, wäre immer noch eine leicht sinkende Tendenz des Anteils Wohnungen im Eigentum von natürlichen Personen auszumachen. Ausserdem muss dabei auch bedacht werden, dass lange nicht alle Stockwerkeigentumseinheiten natürlichen Personen gehören.
Steigender Anteil an Wohnungen im Eigentum von privaten Gesellschaften
Am meisten zugenommen hat der Anteil – neben dem erwähnten Anteil der Stockwerkeigentümerinnen und -eigentümer – bei den übrigen privaten Gesellschaften. Diese haben ihren Anteil am Wohnungsbesitz seit 1956 von 21,0 auf 28,0 Prozent gesteigert. Besonders stark ist der Anteil der Wohnungen im Besitz dieser Eigentumsgruppe zwischen 2005 und 2015 gestiegen. Dies dürfte nicht zuletzt auch im Zusammenhang mit dem seit Jahren tiefen Zinsniveau stehen, das institutionelle Anleger auf der Suche nach einer sichereren Anlage mit regelmässigen Erträgen in die Immobilienanlagen in den grossen Zentren treibt.
Kaum verändert hat sich hingegen der Anteil Wohnungen im Besitz von Wohnbaugenossenschaften. Dieser verharrte während der ganzen betrachteten Zeitperiode im Bereich von 18 Prozent und liegt heute mit 18,1 Prozent auf dem exakt gleichen Niveau wie 1956. Einen deutlichen Zuwachs seit 1956 verzeichneten hingegen die Wohnungen im öffentlichen Eigentum, der sich jedoch vor allem auf das erste Drittel der betrachteten Zeitperiode beschränkte. Seit den 1990er-Jahren befindet sich der Anteil von Wohnungen im öffentlichen Eigentum wieder leicht im Sinken.
Viele Wohnungen im Eigentum von natürlichen Personen am Zürichberg
Noch deutlicher als über die Zeit unterscheidet sich die Eigentümerstruktur der Wohnungen zwischen den Quartieren. Zwar sind die natürlichen Personen in den meisten Stadtquartieren die grösste Eigentumsgruppe, die Unterschiede sind jedoch beträchtlich. Am deutlichsten ist die Dominanz der Privatpersonen als Eigentümerschaft am Zürichberg, insbesondere in den Quartieren Hirslanden (59 % gehören natürlichen Personen), Hottingen (54 %) und Oberstrass (52 %). Vergleichsweise selten zu finden sind Wohnungen in Liegenschaften, die der Kategorie der natürlichen Personen zuzuordnen sind, hingegen in Saatlen, Friesenberg und vor allem im Escher-Wyss-Quartier. Letzteres ist vor allem durch grössere Liegenschaften im Eigentum von Stockwerkeigentümergemeinschaften oder privaten Gesellschaften geprägt.
Starke Neubautätigkeit mögliche Ursache für ungewöhnliche Eigentumsstruktur im Escher Wyss-Quartier
Im Escher Wyss-Quartier gehört mit 48 Prozent fast die Hälfte aller Wohnungen privaten Gesellschaften – der stadtweit höchste Wert. Dies ist vor allem auf die rege Bautätigkeit als Folge der Umnutzung von ehemaligen Industriearealen zurückzuführen. Etwa die Hälfte aller Wohnungen in diesem Quartier wurde nach 2010 erstellt, rund 70 Prozent nach 2000. Die Bauherren waren meistens private Gesellschaften, die vor allem Mietwohnungen erstellten oder Wohnungen im Stockwerkeigentum verkauften. Entsprechend ist das Escher-Wyss-Quartier auch das Gebiet mit dem stadtweit höchsten Anteil an Wohnungen im Stockwerkeigentum (38 %).
Private Gesellschaften sind neben dem Escher-Wyss-Quartier auch in anderen Quartieren die bedeutendste Eigentumsgruppe. Besonders stark vertreten sind sie in Alt-Wiedikon (43 %), Weinegg (40 %) und City (38 %). Wohnungen im Stockwerkeigentum stellen zwar in keinem Quartier die grösste Eigentumsgruppe, sind aber ebenfalls sehr heterogen über die Stadt verteilt: Besonders viele Stockwerkeigentumswohnungen gibt es (abgesehen vom erwähnten Escher-Wyss-Quartier) in den Quartieren Fluntern (23 %), Hochschulen (21 %) und Witikon (17 %), wo der Anteil jeweils etwa ein Fünftel am Gesamtwohnungsbestand ausmacht.
Genossenschaften am Stadtrand stark
Ungleichmässig über die Stadt verteilt sind auch Wohnungen im Eigentum von Wohnbaugenossenschaften: Während diese in Saatlen mit 64 Prozent und Friesenberg mit 55 Prozent des Wohnungsbestandes prägend für die Eigentümerstruktur der jeweiligen Quartiere sind, sind sie in Hottingen, im Seefeld und im Kreis 1 mit einem Anteil am Gesamtwohnungsbestand von jeweils 0 Prozent gänzlich bedeutungslos.
Als insgesamt kleinste Eigentumsgruppe ist die öffentliche Hand zwar in keinem Quartier die grösste Wohnungsbesitzerin, in einigen Quartieren ist sie aber dennoch bedeutend. So liegt ihr Anteil am Gesamtwohnungsbestand im Hardquartier mit 25 Prozent fast so hoch wie der Anteil Wohnungen von natürlichen Personen (29 %), und auch im Kreis 1 spielt sie in allen Quartieren mit Anteilen zwischen 14 und 25 Prozent eine wichtige Rolle. Kaum Wohnungen im öffentlichen Eigentum finden sich hingegen in den Quartieren Enge, Werd, Fluntern und Oerlikon.
Natürliche Personen immer noch in vielen Quartieren dominant
Trotz ihrer abnehmenden Bedeutung in den vergangenen 60 Jahren sind natürliche Personen also auch heute noch die zahlenmässig wichtigste Eigentümerschaft von Stadtzürcher Wohnungen. Sie stellen in 23 der 34 Quartiere die bedeutendste Eigentumsgruppe. In sechs Quartieren sind private Gesellschaften die bedeutendsten Wohnungsbesitzer. Es handelt sich dabei oftmals um Quartiere, in denen sich in den vergangenen 20 Jahren viel verändert hat, sei es durch grosse Neubautätigkeit (Affoltern) oder Umnutzungen (Escher-Wyss). In fünf Quartieren schliesslich sind Wohnbaugenossenschaften die bedeutendste Eigentumsgruppe. Sie liegen alle am Stadtrand, entweder ganz im Südwesten am Fusse des Uetlibergs (Albisrieden, Friesenberg, Leimbach) oder ganz im Nordosten im Glattal (Saatlen, Hirzenbach).
Methode / Quellen
Die Zahlen zur Eigentumsart in der Stadt Zürich stammen aus dem Gebäude- und Wohnungsregister der Stadt Zürich (GWZ)
Begriffe
Eigentumsarten
Um die Übersichtlichkeit und Aussagekraft zu erhöhen, wurden die 31 im Gebäude- und Wohnungsregister geführten Eigentümerkategorien auf deren fünf reduziert.
Zum öffentlichen Eigentum zählen alle Einheiten die dem Bund, dem Kanton Zürich oder der Stadt Zürich gehören. Mitgerechnet werden auch Einheiten im Eigentum von städtischen Stiftungen und übrigen öffentlichen Eigentümern.
Zu den Wohnbaugenossenschaften zählen alle Genossenschaften, deren Hauptzweck die Erstellung von Wohnraum ist. Genossenschaften mit anderen Hauptzwecken (z.B. Lebensmittelhändler oder Versicherungen) zählen nicht zu dieser Kategorie.
Den übrigen privaten Gesellschaften werden alle anderen juristischen Personen zugerechnet. Neben Aktien- Kollektiv und Kommanditgesellschaften zählen dazu auch Gesellschaften mit Beschränkter Haftung, Pensionskassen, Kirchgemeinden, private Stiftungen oder Vereine.
Zu den natürlichen Personen werden neben Einzelpersonen auch Erbengemeinschaften gezählt. Auch das gemeinsame Eigentum mehrerer natürlicher Personen zusammen wird dieser Kategorie zugerechnet
Eine eigene Kategorie bilden Einheiten im Stockwerkeigentum. Diese gehören zwar oft natürlichen Personen, jedoch bei weitem nicht immer. Ausserdem kommt bei Liegenschaften im Stockwerkeigentum auch vor, dass alle Stockwerkeigentumsanteile derselben Eigentümerschaft gehören. In solchen Fällen sind oft Firmen die Eigentümerinnen.
Zonenarten
Zur Gruppe der reinen Wohnzonen werden die Zonen W2, W3, W4 und W5 zusammengefasst. Die Zahl bezeichnet die Anzahl der zulässigen oberirdischen Geschosse.
Beispiele: Luchswiesenstrasse in Schwamendingen, Hadlaubstrasse in Oberstrass
Zur Kernzone gehört die Altstadt sowie Kreis- und Quartierzentren.
Beispiele: Rathaus-Quartier (Altstadt), Alter Kern von Witikon
Quartiererhaltungszonen dienen der Wahrung und Erweiterung der Nutzungsstruktur oder baulichen Gliederung in sich geschlossener Ortsteile.
Beispiele: Grosser Teil der Seefeldstrasse, Goldbrunnenplatz, Sternen Oerlikon
In Zentrumszonen sind neben Wohnungen auch Handels- und Dienstleistungsnutzungen, Verwaltungen sowie höchstens mässig störende Gewerbebetriebe zulässig.
Beispiele: Bahnhof Oerlikon, Maagplatz (PrimeTower)
Industriezonen sind für industrielle Nutzung, mit oder ohne Handels- und Dienstleistungsnutzung bestimmt
Beispiele: Binzstrasse / Binzring in Wiedikon, Eduard-Imhof Strasse in Neu-Oerlikon