Erwerbsarbeit im Wandel: Arbeiten wann, wo und so viel man will?
28. Juni 2016 - Christian Gschwendt
Die Zeiten, in denen ein Grossteil der Stadtzürcher Erwerbstätigen ihr ganzes Erwerbsleben in ein und demselben Betrieb, von jeweils Montag bis Freitag, 8 bis 17 Uhr, verbrachten, liegen schon viele Jahrzehnte zurück. Die Bedürfnisse der Arbeitgeber haben sich verändert und die vormals fixen Arbeitsbedingungen wurden zunehmend aufgeweicht – teils auch im Sinne der Arbeitnehmenden.
In der Stadt Zürich gehen 452 100 Personen einer Erwerbsarbeit nach (Stand 2015). Sind sie zunehmend flexibel in der Wahl, wann, wo und wie viel sie arbeiten? Sind sie vermehrt befristetet angestellt und wechseln sie öfters die Stelle als noch vor zehn Jahren? Kurz: Sind die Arbeitsbedingungen der Stadtzürcher Erwerbstätigen in den letzten zehn Jahren flexibler geworden? Diese Fragen sollen mithilfe der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung (SAKE) untersucht werden.
Häufigere Stellenwechsel, jedoch kein Anstieg befristeter Anstellungen
Flexibilisierung auf dem Arbeitsmarkt wird mitunter mit häufigeren Stellenwechseln und einer Zunahme von befristeten Anstellungsverhältnissen in Verbindung gebracht. Tatsächlich ruht der Anteil Stadtzürcher Erwerbstätiger, die in einem befristeten Arbeitsvertrag angestellt sind, seit 2005 relativ konstant auf einem Niveau von gut 10 Prozent. In der Schweiz arbeiteten 2015 mit 8,7 Prozent anteilsmässig etwas weniger Erwerbstätige in befristeten Anstellungsverhältnissen als in der Stadt Zürich.
Abgenommen hat jedoch die durchschnittliche Betriebszugehörigkeitsdauer, also die Anzahl Jahre, die eine Erwerbsperson zum Zeitpunkt der Befragung bereits bei ihrem aktuellen Betrieb angestellt war. Grafik 1 zeigt: 2005 waren es im Schnitt 8,0 Jahre, zehn Jahre später noch 7,0 Jahre. Die Erwerbstätigen bleiben offenbar weniger lange bei einem Betrieb, wechseln häufiger die Stelle.
Der Stabilität bei befristeten Anstellungsverhältnissen steht somit eine deutliche Abnahme der durchschnittlichen Betriebszugehörigkeitsdauer der Stadtzürcher Beschäftigten gegenüber. Sei es etwa wegen attraktiveren Arbeitsbedingungen in einer anderen Firma, einer beruflichen Umorientierung oder wegen Restrukturierungen bei den Arbeitgebenden: Die Bereitschaft, unbefristete Anstellungsverhältnisse aufzulösen scheint heute generell höher als noch vor gut zehn Jahren.
Schweizweit bleiben die Beschäftigten mit einer durchschnittlichen Betriebszugehörigkeitsdauer von 9,5 Jahren im Jahr 2015 deutlich länger beim selben Betrieb als in der Stadt Zürich. 42,0 Prozent der Schweizer Erwerbstätigen arbeiten schon acht Jahre oder länger für den aktuellen Betrieb, in der Stadt Zürich sind es lediglich 32,9 Prozent.
Anteil Teilzeit Erwerbstätiger bleibt konstant
4 von 10 Männern und 3 von 10 Frauen möchten gemäss SAKE ihr Arbeitspensum reduzieren. Tatsächlich hat sich der Anteil Stadtzürcher Erwerbstätiger, die Teilzeit arbeiten, in den letzten zehn Jahren kaum verändert – weder bei den Frauen noch bei den Männern.
Aktuell sind 22,9 Prozent der Männer in einem Teilzeitpensum – also unter 90 % – angestellt, bei den Frauen sind es aktuell 56,5 Prozent. Es ist weder bei Männern noch bei Frauen ein Trend in die eine oder andere Richtung zu beobachten. Das überrascht: Schweizweit hat sich der Anteil Teilzeit Erwerbstätiger bei beiden Geschlechtern seit 1991 langsam aber stetig erhöht – liegt bei den Männern aber immer noch deutlich unter jenem in der Stadt Zürich. Aktuell arbeiten 16,4 Prozent der Schweizer Männer und 58,7 Prozent der Schweizer Frauen Teilzeit.
Mehr Freiheiten bei der Arbeitszeiteinteilung
Der Anteil Erwerbstätiger, deren täglicher Arbeitsbeginn und Arbeitsschluss fix vorgegeben sind, ist zwischen 2005 und 2015 von 56,6 Prozent auf 44,5 Prozent gesunken (siehe Grafik 2). Demgegenüber können sich heutzutage mehr Beschäftigte die Arbeitszeit selber einteilen: Ein Drittel (33,7 %, + 8,2 %) ist lediglich verpflichtet, eine vorgegebene wöchentliche oder monatliche Arbeitszeit zu leisten. 13,5 Prozent (+ 5,2 %) sind frei, ihre vereinbarte Jahresarbeitszeit über das Jahr hinweg zu verteilen. Ungefähr jede zehnte erwerbstätige Person kann ihre Arbeitszeit völlig flexibel einteilen. Hier ist über die letzten Jahre keine Veränderung zu beobachten.
Gesamtschweizerisch sind die Arbeitszeitregelungen tendenziell weniger flexibel: 54,8 Prozent der Schweizer Erwerbstätigen haben fixe Arbeitszeiten. Insbesondere das Modell der Wochen- und Monatsarbeitszeit ist schweizweit weniger verbreitet als in Zürich.
Der Anteil Erwerbstätiger, die ihre Arbeit im Rahmen ihres Anstellungsverhältnis ausschliesslich am Arbeitsplatz erledigen, schwankte in den letzten Jahren um die 60 Prozent, weist aber eine leicht abnehmende Tendenz auf (siehe Grafik 3). Ein Drittel (2015: 36,7 %) erledigt die Arbeit denn auch manchmal zu Hause statt am Arbeitsplatz, Tendenz leicht steigend. Zum Vergleich: In der Schweiz lassen 67,7 Prozent ihre Arbeit am Arbeitsplatz zurück, nur 27,2 Prozent arbeiten teilweise auch von zu Hause aus. Jeder und jede 20. Stadtzürcher Erwerbstätige (4,7 %) arbeitet hingegen ausschliesslich von zu Hause aus. Dieser Anteil blieb zwischen 2005 und 2015 etwa gleich und liegt etwa auf dem Niveau der gesamten Schweiz (2015: 5,1 %).
Bei den Möglichkeiten, wann, wo und wie viel sie arbeiten, sind die Stadtzürcher Erwerbstätigen teilweise flexibler als noch vor zehn Jahren: Einerseits haben sie vermehrt die Möglichkeit, ihre Arbeitszeit über die Woche, den Monat oder über das Jahr frei einzuteilen statt an feste Arbeitszeiten gebunden zu sein. Zudem erledigen sie ihre Arbeit vermehrt auch einmal von zu Hause aus. Andererseits ist der Anteil ausschliesslich im Home Office arbeitender Personen nach wie vor tief. Ein Trend zu mehr Teilzeitarbeit ist auch nicht festzustellen. Der Anteil befristeter Arbeitsverträge blieb zwar unverändert, Stadtzürcher Erwerbstätige wechseln heutzutage aber deutlich häufiger die Stelle als noch vor zehn Jahren. Und: Tendenziell sind die Arbeitsbedingungen in der Stadt Zürich flexibler als im Schweizer Durchschnitt.
Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE)
Die Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE) ist eine telefonische Befragung, die seit 1991 jedes Jahr vom Bundesamt für Statistik durchgeführt wird. Das Hauptziel ist die Erfassung der Erwerbsstruktur und des Erwerbsverhaltens der ständigen Wohnbevölkerung.
In der Stadt Zürich werden jeweils jährlich zwischen 2000 und 4000 Personen ab 15 Jahren befragt. Die Schraffierungen um die Verlaufslinien in den Grafiken zeigen die 95-Prozent-Konfidenzintervalle der Erhebung. Das bedeutet, dass der effektive Durchschnitt (in Grafik 1) beziehungsweise die effektiven Anteile (in Grafik 2 und 3) mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit im Bereich dieser Schraffierungen liegen.