«Jede Emission von CO2 trägt zum Klimawandel bei»
Luftreinhaltung und Klimaschutz stehen für die Stadt Zürich ganz weit oben auf der Agenda. Entsprechend vielfältig sind die Massnahmen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes Zürich (UGZ) in diesem Bereich. Laut Prof. Dr. Astrid-Kiendler-Scharr, Leitautorin des sechsten Kapitels des aktuellen Sachstandsberichts des Weltklimarats, dürften die Massnahmen sogar noch weitergehen. Im Interview spricht sie über den Klimawandel und über sinnvolle Ansatzpunkte.
Wie erfolgreich sind die bisherigen Massnahmen gegen den Klimawandel? Können Sie das anhand von Beispielen schildern?
Seit Jahrzehnten beobachten wir neue Temperaturrekorde, eine Zunahme von Extremereignissen und die Zunahme der atmosphärischen Konzentration von Treibhausgasen wie CO2 oder Methan. Das ist konsistent mit global zunehmenden Emissionen von Treibhausgasen. Die bisherigen Massnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen haben global noch keine Trendwende gebracht. Die nationalen Zusagen zur Beschränkung der Emissionen sind aber in den letzten Jahren mehr und mehr darauf ausgerichtet, das Pariser Klimaschutzabkommen zu erfüllen und die globale Erwärmung auf deutlich unter 2 Grad zu beschränken. Hierzu haben auch die Vereinbarungen der UN-Klimakonferenz COP26 beigetragen.
Auch in Zürich hat es im vergangenen Sommer extreme Niederschläge gegeben – Zufall oder Klimawandel?
Das kann ich nicht explizit mit Bezug auf diese Ereignisse in Zürich beantworten. Aber der neueste Sachstandsbericht des Weltklimarates zeigt, dass mit jedem zehntel Grad Erwärmung Extremereignisse in ihrer Häufigkeit und Ausprägung zunehmen. Dies gilt insbesondere für Hitzewellen, die wir sehr gut verstehen. Schon jetzt sind Hitzewellen fast 3 Mal so häufig wie in vorindustrieller Zeit und fallen mit zusätzlich 1,2 Grad Celsius auch extremer aus. Bei einer globalen Erwärmung von 2 Grad würden Hitzewellen 4 Mal häufiger auftreten und fast 2 Grad wärmer ausfallen.
Wie wichtig sind Massnahmen zur Luftreinhaltung und zum Klimaschutz für eine Stadt wie Zürich?
Massnahmen zur Luftreinhaltung entfalten bei konsequenter Umsetzung quasi sofort ihre Wirkung. Das liegt an der kurzen atmosphärischen Lebensdauer von Luftschadstoffen. Die Wirksamkeit der Luftreinhaltemassnahmen lässt sich also durch Monitoring sehr effizient erfassen. Durch die langen Zeitskalen des Klimawandels wird der Effekt von Massnahmen erst langfristig sichtbar. So zeigt der sechste Sachstandsbericht des Weltklimarates beispielsweise, dass globale Temperaturen bei stringenten Reduktionen der Treibhausgasemissionen erst in etwa 20 Jahren messbare Effekte zeigen. Für die Bewertung der Wirksamkeit von Klimaschutzmassnahmen muss man also insbesondere die Emissionsstärke erfassen.
Machen aus Ihrer Sicht Massnahmen Sinn, die zwar eine gewisse Verbesserung mit sich bringen, aber immer noch schädlich fürs Klima sind – zum Beispiel Heizungsersatz durch Pelletheizungen?
Jede Emission von CO2 trägt zum Klimawandel bei und hat durch die lange Lebensdauer von CO2 eine anhaltende wärmende Wirkung. Die wirksamste Massnahme zur Begrenzung des Klimawandels ist daher die Vermeidung von Emissionen. Im Gebäudesektor sind daher Energieeffizienz und Wärmedämmung sicherlich dem Austausch von Wärmequellen vorzuziehen. Wo das nicht umsetzbar ist, müssen die Alternativen mit Blick auf ihre Wirkung auf Klima und Luftqualität bewertet werden. Im Fall von Holzfeueranlagen ist hervorzuheben, dass Verbrennungsaerosole aus Biomasse starke gesundheitliche Schäden verursachen und durch ihre Strahlung absorbierenden Eigenschaften eine wärmende Wirkung haben. Neue Technologien müssen auch immer darauf geprüft werden, ob sie zu neuen Emissionen beitragen und ob diese Emissionen – beispielsweise halogenierte Verbindungen – das Klima oder die stratosphärische Ozonschicht schädigen.
Wie schätzen Sie den Effekt von Temporeduktionen – wie zum Beispiel auf Tempo 30 in der Stadt Zürich – ein?
Wie schon erwähnt ist die Emissionsvermeidung das beste Mittel, um den Klimawandel zu beschränken. Wo immer möglich, sind also Massnahmen für eine emissionsfreie Mobilität jenen Massnahmen überlegen, die die Emissionen lediglich reduzieren.
Warum empfehlen Sie, sich jeweils nicht nur auf lokale Massnahmen, sondern auf weltweite Projekte zu fokussieren?
Ein Treibhausgas, das im jüngsten Bericht des Weltklimarates als Win-win-Option für Luftqualität und Klima identifiziert wurde, ist Methan. Durch die Lebensdauer von etwa zehn Jahren ist Methan hemisphärisch verteilt und Massnahmen zur Reduktion von Methanemissionen machen sich auch dann in der lokalen Hintergrundkonzentration von Ozon bemerkbar, wenn sie in grösserer Entfernung getroffen werden.