In der Stadt Zürich leben heute gut tausend Rätoromaninnen und Rätoromanen – laut Statistik exakt 1088. Zürich ist traditionell eine Hochburg der Bündnerinnen und Bündner, die Rätoromanisch sprechen. Nirgendwo ausserhalb Graubündens ist ihre Anzahl grösser.
Auch für die beiden bekanntesten Rätoromanisch sprechenden Brüder war Zürich für ein paar Jahre Heimat. Alois Carigiet, der Illustrator des «Schellen-Ursli», schuf hier seine berühmten Plakate. Zarli Carigiet, der Schauspieler, erklärte der Stadt seine Liebe im Musical «Eusi chlii Stadt» mit dem Lied «Mis Dach isch dr Himmel vo Züri» («Mes tetg è il tschiel da turitg»).
In den 1960er bis 1980er Jahren lebten 2500 Rätoromaninnen und Rätoromanen in der Stadt Zürich – so viele wie nie zuvor und nie wieder danach. Ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung lag damals bei rund 0,7 Prozent. 1990 wohnten noch 1257 Rätoromanisch sprechende Personen in Zürich, im Jahr 2000 nur noch 990. Der Anteil an der Bevölkerung sank auf 0,3 Prozent.
Seit 2000 hat die Zahl der Rätoromaninnen und Rätoromanen in der Stadt Zürich wieder leicht zugenommen. Zwischen 2011 und 2013 lebten im Mittel 1088 Rätoromanisch sprechende Einwohnerinnen und Einwohner in Zürich. In der Zwischenzeit ist die Bevölkerung aber auch insgesamt gewachsen. Deshalb liegt der Anteil der Rätoromanisch sprechendenden Bevölkerung an der Gesamtbevölkerung unverändert bei 0,3 Prozent.
Über 80 Prozent der Rätoromanisch sprechenden Personen in Zürich geben eine weitere Landessprache als Hauptsprache an – gut 70 Prozent Deutsch, knapp 5 Prozent Französisch und rund 4 Prozent Italienisch.
Die Liste der zehn Gemeinden mit den meisten Rätoromanisch sprechenden Einwohnerinnen und Einwohnern wird seit Jahrzehnten von Chur angeführt. Zürich ist ausserhalb Graubündens die einzige Gemeinde auf dieser Top-Ten-Liste. 1970 und 1980 stand die Stadt Zürich hinter Chur an zweiter Stelle, 1990 fiel sie auf den dritten, 2000 auf den siebten Rang zurück. Dank dem leichten Zuwachs von knapp hundert Rätoromanisch sprechenden Personen steht Zürich heute wieder auf dem fünften Platz.
Wie entwickelt sich die Zahl der Rätoromanisch sprechenden Personen in der Stadt Zürich? In den Jahren 2001 bis 2014 zogen jedes Jahr gegen tausend Leute aus Graubünden nach Zürich. Rund 10 Prozent dieser Menschen hatten zuvor im rätoromanischen Sprachgebiet gelebt. Doch die Tatsache, dass eine Person aus dem rätoromanischen Sprachgebiet in die Stadt Zürich zieht, heisst noch nicht, dass Rätoromanisch ihre Hauptsprache ist.
Die meisten aus dem rätoromanischen Sprachgebiet zuziehenden Personen sind noch keine dreissig Jahre alt – die grösste Altersgruppe bilden die 20- bis 24-Jährigen. Zwei Berufsgruppen sind besonders stark vertreten: Rund ein Viertel der Zuzügerinnen und Zuzüger kommt nach Zürich, um zu studieren; die andere – etwas kleinere – Gruppe, um im kaufmännischen Bereich zu arbeiten.
Für das Überleben der rätoromanischen Sprache wird viel getan. Selbst die grossen Softwarefirmen haben ein Herz für die Rätoromanisch sprechende Minderheit der Schweiz. Die Firma Microsoft bietet ihr Betriebssystem und ihre «Office»-Bürosuite in einer rätoromanischen Version an. Und bei der Suchmaschine «Google» kann man nicht nur «Auf gut Glück!», sondern auch «A bun gartetg!» suchen.
In Zürich lebende Rätoromaninnen und Rätoromanen wollen eine eigene Kinderkrippe eröffnen. Pro Woche soll ein rätoromanischer Krippentag angeboten werden. Sobald die Finanzierung gesichert und qualifiziertes Personal angestellt ist, kann es losgehen. Dann werden die Kinder lernen, dass «Zürich» auf Rätoromanisch «Turitg» heisst.
Muttersprache und Hauptsprache: Fragen zum Sprachgebrauch wurden zum ersten Mal 1860 im Rahmen der vom Bund alle zehn Jahre durchgeführten Volkszählungen gestellt. Doch der Vergleich der gesprochenen Sprachen über die Zeit ist schwierig.
Früher wurden alle Personen nach der Muttersprache gefragt, wobei nur eine einzige Sprache angegeben werden durfte. 1990 und 2000 wurde die Frage zweigeteilt. Einerseits wurde nach der (Haupt-)Sprache gefragt, in der man denkt und die man am besten beherrscht. Auch bei dieser Teilfrage durfte nur eine Sprache angegeben werden. Andererseits wurde nach Sprachen gefragt, die man regelmässig spricht, beispielsweise im Beruf oder zu Hause mit den Angehörigen. Auf diese Teilfrage konnten mehrere Antworten gegeben werden. Gerade für Rätoromaninnen und Rätoromanen, die in der Regel zweisprachig aufgewachsen sind, war die erste Teilfrage schwierig zu beantworten. Nicht wenige haben wohl Deutsch angegeben. Hätten sie nur eine Sprache, nämlich ihre Muttersprache, ankreuzen dürfen, hätten sie sich vermutlich für Rätoromanisch entschieden.
Seit 2010, also mit der Einführung der jährlichen Strukturerhebungen, ist dieser Konflikt etwas entschärft, darf man doch bei der Frage nach der Hauptsprache neu bis zu drei Sprachen ankreuzen.
Gepoolte Stichproben/Vertrauensintervalle: Seit 2010 werden als Ersatz für die früher alle zehn Jahre stattfindenden Volkszählungen jährlich Strukturerhebungen durchgeführt. Diese Erhebungen beruhen auf Stichproben und sind somit Hochrechnungen, die mit einer gewissen Ungenauigkeit behaftet sind. Um bessere Resultate zu erhalten, kann man die Stichproben verschiedener Jahre zusammenfassen oder, wie man auch sagt, poolen. Der Nachteil dieser Methode ist, dass man mit den gepoolten Stichproben nicht mehr über Ergebnisse verfügt, die sich auf ein bestimmtes Referenzdatum beziehen, sondern über Mittelwerte für einen bestimmten Zeitraum – in unserem Fall über Mittelwerte für die Jahre 2011 bis 2013.
Bei den Grafiken zeigen die Vertrauensintervalle, wie robust die ausgewiesenen Resultate sind. Die wahren Werte liegen mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit innerhalb des ausgewiesenen Bereichs.