Die Stadt Zürich hat eine Periode intensiven Wachstums hinter sich. Seit dem Jahr 2000 erhöhte sich die Bevölkerungszahl um fast 50 000 Personen, 40 000 davon allein seit 2007. Dies entspricht einem jährlichen Wachstum von fast 4 500 Personen. Und es dürfte in diesem Tempo weitergehen. Gemäss den neuen städtischen Bevölkerungsszenarien und den Vorgaben des Kantons soll Zürich bis 2030 von heute 412 000 auf gegen 500 000 Einwohnerinnen und Einwohner anwachsen.
Da es kaum noch Baulandreserven gibt und viele der grossen Industrieareale schon umgenutzt sind, muss das künftige Wachstum vor allem durch die Verdichtung des Bestehenden bewältigt werden, also im Zug der baulichen Erneuerung. Umbau, Anbau und Ersatzneubau sollen zusätzlichen Wohnraum schaffen.
Die bauliche Erneuerung zu intensivieren und die Erneuerungsquote zu erhöhen, ist deshalb nicht nur ein energiepolitisch, sondern auch ein raumplanerisch relevantes Ziel. Die von Statistik Stadt Zürich kürzlich veröffentlichte Analyse zur baulichen Erneuerung in der Stadt Zürich berechnete eine mittlere Erneuerungsquote von 1,48 Prozent in den vergangenen 15 Jahren, mit deutlich steigender Tendenz (vgl. auch nachfolgend Grafik 3). Der vorliegende Artikel untersucht, ob und inwiefern diese Entwicklung das Ausmass und die Art der Verdichtung in der Stadt Zürich beeinflusst hat.
Die Auswertung der zwischen 2000 und 2015 erneuerten Gebäude zeigt, dass mit der Erneuerung ein klarer Trend zur baulichen Verdichtung einhergeht, und dass die bauliche Verdichtung auch mit einer Zunahme der Einwohnerzahl verbunden ist.
Das Ausmass der Verdichtung bei Erneuerungsprojekten, der sogenannte Verdichtungsgrad, unterscheidet sich je nachdem, ob die Wohnungszahl, die Wohnfläche oder die Bewohnerzahl gemessen wird. Mit 22,8 Prozent (+625 000 Quadratmeter) wächst die Wohnfläche am stärksten, die Wohnungszahl mit 7,9 Prozent (+3 040) hingegen deutlich schwächer. Mit einem Verdichtungsgrad von 19,0 Prozent (+13 500) liegt die Bewohnerzahl dazwischen. Die Wohnungen werden also im Zug der Erneuerung grösser; die Belegung hält damit nicht ganz Schritt.
Die bauliche Verdichtung durch eine Erneuerung kann auf zwei Arten erreicht werden. Entweder durch den Umbau eines bestehenden Gebäudes (Bestandeserneuerung) oder durch den Abbruch eines Gebäudes mit anschliessendem Ersatzneubau (Wohnersatzbau). Diese beiden Formen der Erneuerung haben unterschiedliche Effekte auf die Verdichtung (Grafik 1). Durch Bestandeserneuerung vergrösserte sich die Wohnungszahl nur um 700 Einheiten, durch Wohnersatzbau aber um 2350. Wird hingegen die Personenzahl gemessen, ist das Verhältnis fast ausgeglichen: In bestandeserneuerten Gebäuden fanden 6100 zusätzliche Personen Platz, in Ersatzneubauwohnungen 7300.
Wohnersatzbauten bewirkten insgesamt eine Verdoppelung der Wohnfläche (Verdichtungsgrad 112 %), während sich die Einwohnerzahl nur um knapp 70 Prozent erhöhte (vgl. Grafik 1) – Wohnersatzbau führt also tendenziell zu einem höheren Flächenkonsum pro Person. Das ist nicht weiter verwunderlich, denn Ersatzneubau wird oft einer baulichen Erneuerung vorgezogen, wo die Grundrisse unzeitgemäss sind (z.B. kleine Zimmergrössen) und durch einen Umbau nicht ohne weiteres modernisiert werden können. Die durchschnittliche Wohnfläche pro Person betrug in abgerissenen Gebäuden nur 34,0 Quadratmeter und erhöhte sich durch den Neubau auf 42,7 Quadratmeter. Dies bei einem gesamtstädtischen Durchschnittskonsum von 39,0 Quadratmeter pro Person.
Bestandeserneuerung führt zu einer Verdichtung anderer Art. Die Wohnfläche erneuerter Gebäude erhöhte sich im 15jährigen Betrachtungszeitraum insgesamt um 9,2 Prozent, bei der Einwohnerzahl beträgt der Verdichtungsgrad in diesen Bauten sogar 10,2 Prozent (vgl. Grafik 1). Der durchschnittliche Wohnflächenkonsum ging damit leicht zurück (von 39,5 auf 39,1 Quadratmeter pro Person). Bauliche Anpassungen können also zu einer erhöhten Belegung führen.
Insgesamt ist die Bestandeserneuerung etwas zielführender hinsichtlich eines moderaten Flächenkonsums: 36 Quadratmeter zusätzliche Wohnfläche führen durchschnittlich zu einer zusätzlichen Bewohnerin oder einem zusätzlichen Bewohner; im Wohnersatzbau braucht es dazu 55 Quadratmeter. Auch absolut gesehen bleibt der Wohnflächenkonsum nach Bestandeserneuerungen mit 39,1 Quadratmeter pro Person tiefer als nach Wohnersatzbauten (42,7 Quadratmeter pro Person).
Die beiden Arten von Erneuerungen sind aber nicht direkt vergleichbar; sie geben Antworten auf jeweils unterschiedliche Situationen. Totalerneuerungen können durch gezielte Grundrissoptimierungen ältere, manchmal unternutzte Wohnungen attraktiv für grössere Haushalte machen. Beispiele aus der Praxis - zum Beispiel aus dem Kreis 8 - zeigen, dass die Belegung dadurch deutlich erhöht werden kann. Wo die Ausnützungsreserven hoch oder die Altbauten strukturell problematisch sind, erlauben hingegen Wohnersatzbauten eine starke bauliche Verdichtung, was für die Umsetzung der raumplanerischen Ziele in der Stadt unerlässlich ist.
Wendepunkt im Jahr 2005
Anhand der Einwohnerentwicklung kann die zeitliche Dynamik der Erneuerung in den letzten fünfzehn Jahren gut nachverfolgt werden (Grafik 2). Bei der Gesamtheit aller im Jahr 2000 bestehenden Gebäude zeigt sich ein deutlicher Wendepunkt der Entwicklung um 2005. Ging die Bewohnerzahl im Bestand zuvor allmählich zurück, stieg sie danach wieder kontinuierlich und ab 2010 rasant an.
Bei den bestandeserneuerten Gebäuden schlägt sich die Häufigkeit von Erneuerungen sehr direkt in der Bewohnerzahl der betreffenden Gebäude nieder. Bis 2005 war die Erneuerungsquote mässig (vgl. Grafik 3) und es sind kaum Auswirkungen auf die Personenzahl feststellbar – mit Ausnahme der Tatsache, dass die Bewohnerzahl fast konstant blieb, während sie in den Gebäuden ohne bauliche Erneuerung zurückging. Von 2005 bis 2008 stieg die Bewohnerzahl bestandeserneuerter Gebäude erstmals an, korrespondierend mit einer Zunahme von Erneuerungen in den Jahren 2004 bis 2007 (vgl. Grafik 3). Der anschliessende Rückgang der Erneuerungen bis 2010 schlägt sich erneut in einer Stagnation der Personenzahl nieder (Grafik 2). Ab 2012 folgte dann ein weiterer Verdichtungsschub, der mit dem Anstieg der Bestandeserneuerungen 2011 bis 2014 korrespondiert.
Bei den ersetzten Gebäuden zeigt Grafik 2 eine eindrückliche Trendwende 2011, die auf eine markante Verstärkung des Wohnersatzbaus zurückzuführen ist (Grafik 3). Zuvor stagnierten die Bewohnerzahlen, möglicherweise weil die später ersetzten Wohngebäude auf Abbruch bewirtschaftet wurden und deshalb zunehmend schwächer bewohnt waren. In Ersatzneubauten der Jahre 2006 bis 2010 entstanden jährlich zwar 400 neue Wohnungen, diese kompensierten aber nur knapp die schwächere Belegung in den Liegenschaften, die vor dem Abbruch standen.
In der Bewohnerentwicklung der Gebäude ohne bauliche Erneuerung spiegelt sich der grosse Bevölkerungsdruck ab 2007. War zuvor ein Rückgang der Personenzahl in Altbauten zu beobachten, schlug dieser mit der erhöhten Zuwanderung ab 2007 um; die Bewohnerzahl stieg allmählich wieder an. Seither sind bei Umzügen die einziehenden Haushalte durchschnittlich etwas grösser als die ausziehenden; die Personenzahl steigt an und der Wohnflächenkonsum ist daher leicht rückläufig (siehe Online Artikel).
Bevölkerungsdruck beschleunigt Verdichtung
Die Bevölkerungsentwicklung im Wohnungsbestand 2000 zeigt nach 2005 eine offensichtliche Beschleunigung der Verdichtung. Zunächst ist eine wachsende Bewohnerzahl in erneuerten Gebäuden festzustellen, danach auch in nicht erneuerten, und mit Verzögerung von ein paar Jahren folgt eine sehr klare Zunahme durch den Wohnersatzbau.
Damit schlägt sich der Verdichtungseffekt durch die bauliche Erneuerung erst ab 2005 in einer Erhöhung der Einwohnerkapazität nieder. Wie aufgezeigt, leben heute rund 6100 zusätzliche Personen in erneuerten Gebäuden und 7300 zusätzliche in Wohnersatzbauten. Gleichzeitig führt die hohe Wohnungsnachfrage seit 2008 auch in baulich unveränderten Gebäuden zu einer Erhöhung der Einwohnerzahl – einer bevölkerungsmässigen Verdichtung durch rückläufigen Wohnflächenkonsum, der in Altbauten besonders deutlich zum Ausdruck kommt.
Der hohe Nachfragedruck nach Wohnraum ist offenbar ein wichtiger Treiber der baulichen Erneuerung und Verdichtung. Denn er bietet Gebäudebesitzenden Anreize, die Nutzungsreserven auf der Parzelle durch Ausbau, Aufstockung oder Ersatzneubau zu konsumieren und damit die bauliche Erneuerung zu finanzieren. Die Umsetzung des raumplanerischen Zieles einer Konzentration des Bevölkerungswachstums im städtischen Raum wird dadurch unterstützt.
Bauliche Erneuerung: Dieser Begriff wird vorliegend als Überbegriff für bauliche Investitionen in bestehende Liegenschaften verwendet, die energetisch oder hinsichtlich Verdichtung relevant sind und eine Baubewilligung benötigen. Dabei werden zwei Grundtypen unterschieden: Bestandeserneuerung und Wohnersatzbau.
Bestandeserneuerung: Bezeichnet die bauliche Veränderung von bestehenden Gebäuden, soweit sie im Gebäude- und Wohnungsregister als Umbauten erfasst werden. In der Grössenordnung entspricht die Zahl der umgebauten Wohnungen den energetisch erneuerten Gebäuden, für deren Umbau eine Baubewilligung erforderlich ist.
Wohnersatzbau: Bezeichnet den kompletten Ersatz eines älteren Wohngebäudes durch ein neu erstelltes. Wohnersatzbau unterscheidet sich vom übrigen Ersatzneubau dadurch, dass die abgebrochenen ebenso wie die neuerstellten Bauten Wohngebäude sind. Neubauten von Wohngebäuden auf früherem Industrieland werden in den Publikationen von Statistik Stadt Zürich als Umnutzungen bezeichnet und sind – wie auch Neubauten auf unbebautem Land – kein Bestandteil der vorliegenden Untersuchung.
Verdichtungsgrad: Bezeichnet in Untersuchungen von Statistik Stadt Zürich die Grössendifferenz zwischen dem Zustand der betroffenen Gebäude vor Beginn und nach Abschluss der Arbeiten in Prozent des Zustandes zuvor. Diese Kennziffer kann bei Ersatzneubauten wie bei Umbauprojekten für alle Messgrössen ermittelt werden (Wohnungszahl, Wohnfläche, Bewohnerzahl, Gebäudevolumen, Zimmerzahl usw.)
6. September 2016: Die Werte für das Jahr 2015 in Grafik 3 wurden korrigiert: Der Wohnersatzbau betrug 2015 1365 statt 886 Wohnungen. Die Erneuerung Total betrug 2015 demzufolge 3362 statt 2883 Wohnungen.