Sie kommen aus Deutschland, Brasilien, Lateinamerika oder Russland. Es ist die Liebe, die sie nach Zürich geführt hat; sie haben sich in eine*n Zürcher*in verliebt oder sind ihrer*m Partner*in hierher gefolgt. Und nun reden sie über die drei Säulen der Schweizer Altersvorsorge – und über die Scheidung.
Deshalb haben sie sich an diesem Mittwochabend im Musiksaal des Stadthauses eingefunden: wegen ihrer sozialen Sicherheit. Viele von ihnen haben in ihrer Heimat alles aufgegeben, die Arbeit, die Freund*innen, die Absehbarkeit in ihrem Leben. Und müssen sich nun in einem Land zurechtfinden, das, wie K-Tipp-Redaktor Christian Bütikofer vor den Versammelten sagt, über elf verschiedene Sozialversicherungen verfügt.
Es ist komplex. Wer in der Schweiz arbeitet, dem werden jeden Monat ein paar Prozente des Lohns in die erste Säule, in die AHV, überwiesen. Wer mehr verdient als 22’680 Franken pro Jahr, der bezahlt weitere Lohnprozente in die zweite Säule ein, in die berufliche Vorsorge. Und wer es vermag, zahlt selbst in die dritte Säule ein, in die private Vorsorge. Bei Personen aber, die nicht immer gearbeitet haben, kommt es zu «Fehljahren» und «Beitragslücken».
Alles, was Christian Bütikofer vorne am Laptop sagt, widerhallt in verschiedenen Sprachen im Saal. Es wird flüsternd übersetzt: hinten links auf Spanisch, hinten rechts auf Russisch, vorne links auf Englisch, vorne rechts auf Portugiesisch. Aus diesen Ländern und Regionen ziehen die meisten Personen nach Zürich. Es sind rund sechzig, überwiegend junge Leute, die sich hier eingefunden haben, Frauen vor allem, manche werden von ihrem Partner begleitet.
«Was die Zugezogenen in unseren Veranstaltungen erfahren, hilft ihnen, sich in Zürich zurechtzufinden und hier ein gutes Leben zu führen», sagt Projektleiterin Cristina Bütikofer-Beltran von der Fachstelle Diversität, Integration, Antirassismus der Stadtentwicklung Zürich. Die heutige Veranstaltung ist die vierte einer Serie mit dem Namen «Wegen der Liebe in Zürich», die einmal pro Jahr durchgeführt wird.

An diesen vier Veranstaltungen lernen die Teilnehmer*innen, unter welchen Voraussetzungen sie hier arbeiten können und wie sie am besten eine Stelle finden. Sie werden über das schweizerische Eherecht informiert und, wie heute, über die soziale Sicherheit. Die Veranstaltungen richten sich insbesondere an Frauen; sie sind es oft, die ohne Job und ohne Arbeitsvertrag nach Zürich kommen.
Am besten besucht ist der erste Teil «Arbeit suchen in Zürich». Eine Arbeit zu haben ist wichtig, um sich in Zürich zu integrieren und wichtig für das Selbstbewusstsein und für die Unabhängigkeit, wie Cristina Bütikofer-Beltran sagt. Aber ebenso wichtig sei die soziale Sicherheit: «Wenn man heiratet und in ein anderes Land zieht, denkt man meist nicht an eine Scheidung.» Oft möchte man das auch nicht.
«Deshalb tun wir es für sie», sagt sie. Viele Frauen seien von ihrem Partner finanziell abhängig. Und komme es zu einer Scheidung, stünden sie schlecht da. Im schlimmsten Fall könnten sie gar ihre Aufenthaltsbewilligung verlieren und müssten die Schweiz verlassen. Etwa dann, wenn sie über mehrere Jahre Sozialhilfe beansprucht haben.
Die heutige Veranstaltung findet im Musiksaal, im schönsten Raum des Stadthauses statt – ein Ausdruck der Willkommenskultur der Stadt Zürich und der Wertschätzung für die Zugezogenen. Die Fachstelle führt sie seit 2011 durch, auf Anregung und in Zusammenarbeit mit der IG Binational. Diese vertritt die Interessen binationaler Paare und Familien. Zu Beginn richtete sich die Veranstaltung an Personen, die allein aus dem Ausland kamen und eine*n Zürcher*in heirateten. Im Zuge der Bilateralen Verträge kamen aber vermehrt Paare nach Zürich und bei diesen ist es oft die Frau, die ihre Arbeit aufgegeben hat und sich neu orientieren muss. An sie richtet sich das Angebot der Stadtentwicklung Zürich hauptsächlich.
Mit wie wenig Geld geschiedene Frauen nach der Pensionierung unter Umständen leben müssen, zeigen die Grafiken, die Christian Bütikofer jetzt an die Wand projiziert. Es sind Beispiele zweier fiktiver Frauen. Die eine hat 44 Jahre lang gearbeitet, anständig verdient und zeitweise Kinder grossgezogen. Sie erhielt 2024 eine Maximalrente von 2450 Franken pro Monat aus der ersten Säule, der AHV. Die zweite Frau hat «nur» 34 Jahre lang gearbeitet und weniger gut verdient. Sie bekommt gerade noch 1893 Franken. Sie hat, weil sie nicht durchwegs arbeitete, bei der AHV «Fehljahre», was sie zwei bis drei Prozent Rente pro Jahr kostet. Und in der zweiten Säule, der beruflichen Vorsorge, vergrössert sich die Vorsorgelücke und verkleinert sich auch diese Rente. Wie soll man damit in Zürich leben?
Die Anwesenden erfahren auch pragmatisch: Welche Einrichtung führt ihr AHV-Konto? Was brauchen sie dazu? Und wie kommen sie zu dem, was sie dazu brauchen? Wie kommen sie zu ihrem Versicherungsausweis?
Das Mikrofon geht von Hand zu Hand, Frage folgt auf Frage. «Kann ich als Ausländerin für die Jahre meiner Arbeitslosigkeit in die AHV nachzahlen?» «Muss ich als geschiedene Frau ohne Arbeit in die AHV einzahlen?» Und: «Kann ich meine zweite Säule vererben?»
Christian Bütikofer beantwortet sie alle. Einige Besucherinnen fügen an ihre Frage ein Dankeschön an. Und eine fragt auf Englisch: «Wie hätte ich mich ohne diese Wegleitung mit all diesen Versicherungen zurechtgefunden?»
Lesen Sie zu diesem Thema auch, wie die Fachstelle Diversität, Integration, Antirassismus Frauen unterstützt, die vom Ausland nach Zürich gezogen sind.
