Schon von weitem fällt die blau-weiss gestreifte Markise vor dem Laden am Neumarkt auf. Im Sommer spendet sie Schatten, jetzt im Herbst schützt sie die frischen Waren vor dem Regen. Handgeschriebene Schilder weisen auf spezielle Angebote hin. Sei es Coffee to go, knuspriges Brot oder frischen Rauchlachs.
Im Inneren nimmt eine Frischetheke, gefüllt mit Sandwiches, Salaten, Käse und anderen Produkten, einen grossen Teil des Raums ein. Dahinter stehen Olga und Mabilio Ramos und begrüssen die Kundschaft mit einem Lächeln. Man kennt sich: Die meisten Kund*innen wohnen in der Nachbarschaft.
Ein jüngerer Mitarbeiter eines nahegelegenen Restaurants legt Ingwer auf die Theke. «Der ging beim Einkauf vergessen. Dabei brauchen wir ihn für unseren frischen Ingwertee.» Der Ladenbesitzer wickelt den Einkauf rasch ab. Noch ein kurzer Schwatz, dann macht sich der Mann wieder auf den Weg.
«Die Gespräche mit der Kundschaft sind das Schönste. Es ist wie eine grosse Familie», meint Olga Ramos. Kinder kämen noch vor der Schule vorbei, um sich schnell ein Gipfeli zu holen – bezahlen würden die Eltern jeweils später. Mabilio Ramos ergänzt: «Es gibt manchmal auch Leute, die das Portemonnaie vergessen und dann am nächsten Tag bezahlen. Anschreiben so wie früher im Dorf eben.»
«Lebensmittel Ramos» ist ein Geschäft wie aus der Jugend der Beiden. Mit 21 kam Mabilio Ramos aus Portugal in die Schweiz und machte sich ein Jahr später mit dem ersten Lebensmittelladen selbstständig. 31 Jahre ist das her.
Sein erstes Geschäft lag am Klusplatz, sein zweites am Zürichberg, seit 2015 ist er hier. Mabilio sieht sich um: «Dieser Laden hat mich sofort berührt, und ich wusste: Hier will ich mein Geschäft haben.» Doch er musste sich gedulden, bis sich die Vormieterin dazu entschloss, ihr Geschäft aufzugeben und die Familie Ramos sich um die Nachfolge bewerben konnte. «Wir sind immer noch glücklich, dass wir damals den Zuschlag erhielten.»
Mehr als acht Jahre arbeiten die beiden nun schon hier. Acht Jahre, in denen viel passiert ist. Einschneidend war die Corona-Zeit: «Wir hatten mehr Kundschaft als sonst. Das war schön, aber auch anstrengend. Die Tage waren länger, und wir hatten fast keine freie Zeit», sagt Mabilio. Dabei stehen die Beiden in «normalen» Zeiten schon um halb vier auf. Mitten in der Nacht bereitet Olga Ramos Sandwiches und Salate zu, während ihr Mann im Engros-Markt Früchte, Gemüse und Blumen besorgt.
Aber die langen Tage sind nicht vergebens. Stolz holt Mabilio Ramos ein Bild, das sie von Nachbarn erhielten, aus dem kleinen Büro: «Vielen Dank für euren Einsatz, Olga und Mabilio Ramos!», steht gross darauf.
Auf die Frage, ob die beiden denn freie Zeit hätten, seufzt Olga Ramos. «Wir haben jedes Jahr zwei Wochen geschlossen. Im Sommer, wenn hier viele weg sind. Und am Sonntag haben wir auch zu. Aber wir können nicht viel reisen.» Dabei würden die beiden gerne endlich mehr von der Schweiz sehen. Mabilio Ramos erklärt: «Wir waren schon in Davos, Bern und Interlaken. Aber jeweils nur einen Tag, einen Sonntag. Wir sind ein Familienbetrieb, wir haben keine Angestellten.»
Manchmal helfe ein Cousin aus, und auch der Sohn komme ab und an vorbei. Beide Kinder studieren. Psychologie und Medizin. «Sie müssen sich auf ihr Studium konzentrieren. Und wir möchten uns nicht beschweren. Es ist anstrengend, aber schön.» Sie lächeln und schon tritt der nächste Kunde in den Laden.