Verkleiden spaltet die Gemüter. Die einen freuen sich darauf, in neue Rollen zu schlüpfen, während andere beim Gedanken an ein Kostümfest schon die Augen verdrehen. Für manche ist es eine Gelegenheit, sich in jemand völlig anderes zu verwandeln – sei es als Piratenbraut, Superheld oder furchteinflössender Vampir. Andere hingegen fühlen sich in Verkleidung fehl am Platz und unbeholfen. Während einige monatelang an ihrem Halloween-Outfit feilen, suchen die anderen hastig nach der unauffälligsten Möglichkeit, dem Motto einer Party gerecht zu werden.
Doch für all jene, die sich verkleiden möchten, ist das Kostümgeschäft Atop beim Farbhof in Altstetten eine wahre Fundgrube. Hier verwandelt Inhaber Kurt Oetterli mit seinem Team gewöhnliche Menschen in zauberhafte Märchenfiguren, furchteinflössende Monster oder glamouröse Showstars. Das Geschäft ist ein Paradies für Maskierungsfreudige: Kostüme reihen sich aneinander, funkelnde Accessoires strahlen um die Wette und eine grosse Auswahl an Perücken, Masken und Schminkutensilien warten auf ihre Entdeckung. Egal ob für Karneval, Halloween oder Motto-Partys – hier findet man alles für sein perfektes Alter Ego.
Kurt Oetterli, der sich selbst einst wenig für das Verkleiden begeistern konnte, wurde bei einem Besuch des Kölner Karnevals zum Fan. «Am Anfang war ich nur widerwillig dabei, verkleidet als Pilot. Doch die bunte Stimmung und das ausgelassene Feiern haben mich sofort gepackt», erinnert er sich mit einem Lächeln. Der Besuch endete nicht nur mit einer tiefen Begeisterung für den Kölner Karneval – Oetterli begann auch, mit Freunden die Viva-Colonia-Party in Zürich zu veranstalten, die bereits zum neunten Mal stattfand.
Seit zehn Jahren führt Kurt Oetterli sein Geschäft an der Badenerstrasse 742. Die Geschichte des Familienunternehmens reicht jedoch noch weiter zurück. Alles begann mit seinem Vater Toni Oetterli, einem Maskenbildner und Perückenmacher am Zürcher Opernhaus. Mit einem kleinen Atelier an der Sonnhaldenstrasse wagte Toni den Schritt in die Selbstständigkeit – das Atelier Toni Oetterli Perücken, kurz Atop, war geboren. Der Familiengedanke prägt das Unternehmen bis heute: Ehefrau Graziana sowie Tochter und Sohn sind ebenfalls im Betrieb tätig. Mittlerweile zählt das Team zwölf Mitarbeitende.
Was einst als bescheidenes Geschäft beim Römerhof begann, hat sich heute zu einem Unternehmen entwickelt. Im Stammhaus werden etwa hochwertige Samichlausbärte aus Büffelhaar hergestellt, während das Hauptgeschäft beim Farbhof als zentraler Anlaufpunkt fungiert. Zudem betreibt Atop eine Filiale in Stäfa, die gleichzeitig als Lager dient. Doch Oetterli denkt weiter: «Ein zusätzlicher Standort in Zürich-Nord wäre ideal, um noch näher bei unserer Kundschaft zu sein.»
Man könnte annehmen, dass ein spezialisiertes Kostümgeschäft in Zeiten von Online-Shopping und Massenware keine Chance hat. Doch der Ladeninhaber lächelt nur und winkt ab: «Die Leute wollen keine 08/15-Kostüme aus dem Internet, sondern etwas Einzigartiges», erklärt er. Genau das bietet Atop: persönliche Beratung, die Möglichkeit, Kostüme anzuprobieren und sofort mitzunehmen. Und noch etwas: «Verkleiden boomt», fügt er verschmitzt hinzu. «Die Menschen suchen nach Gelegenheiten, in andere Rollen zu schlüpfen.»
Die Fasnacht bildet den Auftakt des Geschäftsjahres, und kaum ist das letzte Konfetti weggefegt, bereiten sich die ersten bereits auf die Streetparade vor – gefolgt von einer Welle an Oktoberfesten. Atop bietet Dirndl, hochwertige Lederhosen und alles, was es braucht, um als Bayerin oder Bayer durchzugehen. «Früher war das nur in München ein Thema, heute feiert fast jede Kleinstadt ihr eigenes Oktoberfest», weiss Oetterli. Der absolute Höhepunkt im Jahr ist aber Halloween: «Da geht’s bei uns richtig rund», sagt er mit einem Lächeln. Aber auch dazwischen ist dank Junggesellenabenden und Motto-Partys immer etwas los. Die Lust am Verkleiden kennt heute keine Saison mehr.
Auch wenn der persönliche Kontakt im Geschäft das Herzstück bleibt, ist Atop mit der Zeit gegangen. «Natürlich bieten wir heute auch einen Online-Shop an», sagt Oetterli. «Die Kundschaft informiert sich häufig erst im Internet und kommt dann gezielt zu uns in den Laden. Andere, die uns bereits kennen, bestellen gerne auch direkt online – besonders wenn es um Accessoires oder Ergänzungen zu bereits vorhandenen Kostümen geht.» Das Beste aus beiden Welten zu verbinden, das sei heute der Schlüssel zum Erfolg.
Wie steht es bei der Firma um das Thema Nachhaltigkeit – insbesondere bei Kleidungsstücken, die oft nur ein- oder zweimal getragen werden? Kurt Oetterli entgegnet: «Unsere Kostüme sind auf vielfachen Gebrauch ausgelegt und können problemlos mehrfach getragen werden.» Ein früherer Versuch, ein nachhaltigeres Verleihsystem einzuführen, scheiterte. «Die Kostüme kamen häufig verspätet oder in schlechtem Zustand zurück, und der Aufwand war enorm», erinnert er sich. Zudem spielen wirtschaftliche Überlegungen eine entscheidende Rolle: «Natürlich wäre es ideal, ausschliesslich Kostüme aus Baumwolle anzubieten. Aber seien wir ehrlich – wer würde solche Preise zahlen?»
Die meisten Kostüme werden heute aus Kunstfasern hergestellt. «Unsere Ware beziehen wir von Grosshändlern aus Italien, Spanien und den Niederlanden, die wiederum in China produzieren lassen. So läuft es in unserer Branche», erklärt er mit Pragmatismus eines gelernten Kaufmanns. Auf dem globalen Kostümmarkt ist Oetterlis Geschäft zwar ein kleiner Akteur, doch in der Region Zürich kommen Verkleidungsbegeisterte an Atop nicht vorbei.