Elke Schäffler ist Quereinsteigerin in der Pflege. Ihr Studium schloss die heute 45-Jährige am Careum ab, für den Praxisteil war sie im Gesundheitszentrum für das Alter Entlisberg, wo sie heute auf einer Langzeitabteilung als diplomierte Pflegefachfrau HF tätig ist.
Aufgewachsen ist Elke Schäffler in Bregenz. Nachdem sie mit 18 Jahren Mutter wurde, absolvierte sie am Abend die Handelsakademie, vergleichbar mit dem Schweizer KV, und arbeitete daneben zu 50 % in der Gastronomie. Mit 25 Jahren zog sie mit ihrer Tochter nach Zürich. Die Wahl ihrer neuen Heimat hatte eine Vorgeschichte. Schon als Teenagerin, als ihr Vater ihr zum 14. Geburtstag Zürich zeigte und sie vom Lindenhof aus auf die Stadt hinunterblickte, dachte sie sich: «Zürich ist schon cool». Im Beruf übernahm Elke laufend mehr Verantwortung und führte zuletzt als Geschäftsführerin im Nooba am Kreuzplatz ein Team von 25 Mitarbeitenden. Daneben schloss sie diverse Weiterbildungen ab, unter anderem zur Lernendenausbilderin sowie im Eventmanagement und in der Kommunikation.
Elke, du hattest in der Gastronomie Karriere gemacht, warum der Wechsel?
Ich war sehr gerne in der Gastro und fand es auch schön, eine Leitungsfunktion auszuüben. 12- bis 14-Stunden-Tage gehörten dazu. Aber irgendwann wurde mir der Druck von oben und von unten zu viel. Ich bin vom Naturell her eine Team-Playerin, keine Einzelkämpferin. Es fühlte sich nicht mehr gut an. Da war so eine Leere. Am Ende war es meine Tochter, die mir die Augen geöffnet hatte. Sie meinte: «Mama, ich habe das Gefühl, du schlitterst in ein Burn-out.» Damals war ich 37 oder 38. Ich hatte alles erlebt in der Gastro: von der Bar über schicke Restaurants und Catering bis zur Leitungsfunktion. Ich war ausgebrannt und merkte, es war Zeit für etwas Neues. Also kündigte ich, ohne zu wissen, wie's weitergeht.
Und wie ging es weiter?
Ich musste mich erstmal wieder selbst spüren. Ich habe darum angefangen, zu meditieren und in die Natur zu gehen, um herauszufinden, was ich eigentlich möchte. Meine Tochter hatte ihre Lehre abgeschlossen, ich stand mitten im Leben und konnte zum ersten Mal in meinem Erwachsenenleben eine Entscheidung nur für mich treffen. Es war der perfekte Zeitpunkt, um mich komplett neu zu orientieren. Diese Chance wollte ich gut nutzen.
Wie bist du auf die Pflege gekommen?
Auch hier spielte meine Tochter eine grosse Rolle. Bereits als ich noch in der Gastro tätig war, wurde ich durch sie auf das Gesundheitszentrum Entlisberg aufmerksam: Sie hatte dort nach ihrer Lehre ein Praktikum absolviert und war total begeistert. Da ich gerne Zeit mit älteren Menschen verbringe, engagierte ich mich als Freiwillige im Gesundheitszentrum Entlisberg. Es bereitet mir Freude, für Menschen da zu sein, die von der Gesellschaft an den Rand gedrängt werden. Es ist leider so: Wer aus dem Berufsleben ausscheidet, wird oft nicht mehr wie ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft behandelt. Man gibt den Menschen das Gefühl, nur noch im Weg zu sein. Einsamkeit ist ebenfalls ein grosses Thema im Alter. Durch meine 1,5-jährige Erfahrung als freiwillige Mitarbeiterin hatte ich Gefallen am Gesundheitswesen gefunden. Ich fing an zu recherchieren und informierte mich im Berufsinformationszentrum über meine Möglichkeiten. Mir war klar, dass ich nicht den ganzen Tag am Computer sitzen kann und eine Tätigkeit brauche, bei der ich weiterhin viel Kontakt mit Menschen habe. Das Ergebnis ist bekannt.
Du hast dich entschieden, als Quereinsteigerin in die Pflege zu gehen. Wie hast du das erlebt?
Das Studium am Careum war ein Sprung ins kalte Wasser mit Ansage. Ich kannte keinen einzigen medizinischen Begriff und dachte mir anfangs oft: «Wie bitte? Worum geht's hier?» Und manchmal auch: «Das packe ich nie.» Mir kam zugute, dass ich ein strebsamer Mensch bin und viel Disziplin mitbringe. Ich bin also nach dem Unterricht jeweils nach Hause gegangen und habe gelernt. Nicht einfach auswendig gelernt, sondern gelernt, bis ich es verstanden hatte. Mir war von Anfang an bewusst, dass das kein Klacks werden würde. Ich empfehle darum allen, die mit einem Quereinstieg liebäugeln: Bereitet euch vor, bringt alles in Erfahrung, was helfen kann und entscheidet euch bewusst: für die drei Jahre Studium und für den Beruf.
Wie war der Praxisteil deiner Ausbildung?
Durch die Freiwilligenarbeit hatte ich bereits einen ersten Einblick gewonnen und war den Umgang mit älteren Menschen gewohnt, wenn auch in einem anderen Kontext. Der Zufall wollte es, dass mein erster Arbeitstag auf den Lockdown im März 2020 fiel. Mein Einstieg verlief darum alles andere als geordnet. Mein Ziel war es, im Praktikum möglichst viel auszuprobieren und herauszufinden, was mir am meisten entspricht. Darum bin ich aktiv auf meine Vorgesetzten zugegangen und habe den Wunsch geäussert, verschiedene Abteilungen kennenzulernen. Das hat geklappt und ich durfte auf der Demenz-, der Gerontopsychiatrie- sowie der Akut- und Übergangsabteilung arbeiten.
Wie stehst du heute nach ein paar Jahren Erfahrung zum Pflegeberuf?
Ich bin angekommen. Seit ich in der Pflege arbeite, habe ich mich gefunden. Ich wusste schon immer, dass ich unglaublich gerne mit Menschen zu tun habe und mit meiner freundlichen und höflichen Art sehr gut ankomme. Es passt einfach: Das ist mein Beruf. Es ist schön zu sehen, dass die Lernenden und anderen Mitarbeitenden gerne auf mich zukommen, wenn sie Fragen haben.
Pflegen heisst auch, dem Menschen in seiner Vulnerabilität begegnen. Wie gehst du mit dieser Herausforderung um?
Ich hatte mir schon während der Ausbildung ein Ritual angeeignet. Wenn ich die Uniform anziehe, verwandle ich mich in die berufliche Elke. Wenn ich sie wieder ausziehe, bin ich Elke privat. Diese beiden Personas halte ich getrennt. Es kommt schon vor, dass ich am Abend mit meinem Mann etwas bespreche. Aber ich achte darauf, so wenig wie möglich vom Beruf mit nach Hause zu nehmen, um meine Ressourcen zu schützen. Wenn ich die Uniform trage, gehe ich anders mit Situationen um, als ich das privat tun würde. Reflexion ist dafür ebenfalls sehr wichtig. So finde ich Wege, um auch in heraufordernden Situationen ruhig zu bleiben und kann am Abend nach Hause gehen und abschalten.
Was gefällt dir an deiner Arbeit?
Ganz klar die Menschen. Die Begegnungen mit den Menschen. Ich gebe gerne und bekomme aber auch gerne etwas zurück. Mich um sie kümmern zu können und für sie da zu sein, erfüllt mich. Im Gegenzug erlebe ich von ihnen viel Interesse. Auch die kleinen Berührungen hinterlassen Spuren bei mir. Wenn mir jemand die Hand hält oder meine Tattoos toll findet und darüberstreicht, um zu schauen, ob sie abgehen. Ich gebe etwas von meiner Liebe. Das bewegt.
Und in Bezug auf das Fachliche?
Der Facettenreichtum meiner Arbeit: Tagesverantwortung, Pflege, medizinaltechnische Verrichtungen, der interdisziplinäre Austausch zum Beispiel mit dem Arztdienst, Gespräche mit den Angehörigen. Meine Arbeit ist sehr abwechslungsreich und ich weiss nie, was der Tag bringt. Es ist ein sehr spannender Beruf, weil man stets mit neuen Situationen umgehen muss und sich dadurch neu erfindet. Ich arbeite auf einer Langzeitabteilung und habe mit vielen verschiedenen Krankheitsbildern zu tun: Demenz, psychische Erkrankungen, Parkinson. Auch der Palliativ-Bereich interessiert mich sehr. Menschen, auf ihrem letzten Weg begleiten zu dürfen, ist eine besondere Aufgabe.
Wie erlebst du die Rahmenbedingungen bei der Arbeit?
Ich bin sehr gut vernetzt auf der Abteilung und geniesse eine grosse Selbstständigkeit und viel Vertrauen von meinem Vorgesetzten. Ich finde es schön, wenn in der Pflege auf den Biorhythmus der Mitarbeitenden Rücksicht genommen wird und dieses Thema angesprochen werden kann. Ich mache zum Beispiel keinen Nachtdienst, weil wir zum Glück genügend Mitarbeitende haben, die diese Schicht gerne übernehmen.
Was sollte die Öffentlichkeit über die Pflege wissen, was dir vielleicht früher selbst nicht bewusst war?
Dass die Pflege unglaublich vielseitig ist. Du machst nicht ein Leben lang dasselbe. Du kannst im Akutspital arbeiten, bei der Spitex oder in der Langzeitpflege. Und du kannst dich spezialisieren, zum Beispiel in Gerontopsychiatrie oder Demenz, und entsprechende Weiterbildungen absolvieren – von Kursen über Certificates of Advanced Studies (CAS) bis zum Master. Es gibt so viele Möglichkeiten.
Aber was sind eigentlich die Vorteile und Chancen eines Quereinstiegs in die Pflege?
- Du erfährst Sinnhaftigkeit und Wertschätzung im Beruf.
- Pflegefachpersonen sind auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt. Dies gibt Sicherheit und bietet dir Flexibilität, dein Pensum zu reduzieren oder eine Auszeit zu nehmen, wenn es deine persönliche Situation erfordert.
- Die Gesundheitszentren bieten Quereinsteiger*innen, die mit beiden Beinen im Leben stehen und entsprechende Fixkosten haben, ein Einkommen, das die Lebenskosten deckt.
- In der Langzeitpflege hast du vielfältige Weiterentwicklungschancen und die Möglichkeit, Karriere zu machen.